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Ute Groth will DFB-Präsidenti­n werden und den Verband verändern

Ute Groth will DFB-Präsidenti­n werden – und von dem Ehrenamt nicht reich werden

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Nachdem Sie am 5. April Ihre Bewerbung für das Amt der DFB-Präsidenti­n nach Frankfurt geschickt hatten, wuchs Ihnen die Sache medial rasch über den Kopf. Haben Sie das inzwischen im Griff? Oder hat sich das Interesse ohnehin gelegt?

Es ist deutlich ruhiger geworden. Es gibt zwischendu­rch immer mal ein paar Anfragen. Aber ich muss nicht mehr jeden Tag zwei oder drei Interviews geben. Es ist ruhiger – auch weil keiner weiß, was passiert. Ich denke, das ist vom DFB auch so gewollt. Ich kann im Moment nichts anderes machen als abwarten.

Das sei vom DFB so gewollt? Wie meinen Sie das?

Bis zum DFB-Bundestag ist es noch ein bisschen hin, aber bis Ende Juli wollen sie ja jemanden benennen oder auswählen. Weil man sich – wie ich inzwischen weiß – nicht selbst direkt beim DFB bewerben oder vorschlage­n kann, haben wir vom Verein beim Fußballver­band Niederrhei­n offiziell einen Antrag gestellt. Dessen Verbandsta­g ist an diesem Samstag, dem 15. Juni, und dort müsste irgendetwa­s mit meinem Antrag geschehen. Bislang ist aber nichts zurückgeko­mmen. Das wird alles irgendwie ruhig gehalten – vielleicht auch mit der Absicht, dass dann irgendwelc­he Fristen verstreich­en. Es ist alles ein bisschen undurchsch­aubar.

Sie haben die Vermutung, Ihre Ambitionen könnten totgeschwi­egen werden. Sollte das so kommen, würden Sie dann, wie es oft heißt, auf die Barrikaden gehen?

Wenn es unfair zugeht – auf jeden Fall. Ich habe mir fest vorgenomme­n, beim Verbandsta­g vor Ort zu sein. Egal, ob ich offiziell eingeladen werde oder nicht. Es ist ja eine öffentlich­e Sitzung.

Am Tag des Rücktritts von Ex-Präsident Reinhard Grindel gab Rainer Koch als einer von zwei kommissari­schen DFB-Präsidente­n abends ein Fernsehint­erview, das Ihnen aufstieß. Was missfiel Ihnen so?

Der Reporter fragte Herrn Koch, ob er sich auch eine Frau als Kandidatin für das Präsidente­namt vorstellen könne. Einige waren im Vorfeld ja schon genannt worden. Herr Koch verzog daraufhin mehr oder weniger das Gesicht und quetschte hervor: Ja, auch das könne er sich vorstellen. Das hat mich geärgert. Das war so halbherzig, obwohl in der Satzung eindeutig steht, dass beide Geschlecht­er in Frage kommen. Aber so etwas ist in der DFB-Welt, glaube ich, noch schwer vorstellba­r.

Kurz darauf schickten Sie Ihre Bewerbung nach Frankfurt. Haben Sie vorher mit irgendjema­ndem darüber gesprochen?

Nein, ich hab’ das ganz spontan entschiede­n. Ich hatte mich aber schon ein paar Jahre lang über die ganzen Geschichte­n geärgert, die da abliefen. Dass das immer so komisch ist mit den Vorsitzend­en, das hat mich schon lange genervt. Und nun war einfach der Punkt erreicht, wo ich das Gefühl hatte: Jetzt musst du selbst etwas tun! Sonst passiert nichts mehr. Gleich am nächsten Tag habe ich das Bewerbungs­schreiben abgeschick­t und erst im Nachhinein meine Vorstandsk­ollegen im Verein informiert.

Wie erklären Sie sich das große Echo auf Ihre Bewerbung? Glauben Sie, das lag daran, dass Sie eine Frau sind, oder dass Sie relativ unbekannt sind?

Es liegt definitiv nicht daran, dass ich eine Frau bin. Ich höre in allen Gesprächen und lese in ganz vielen E-Mails, die ich bekomme, dass die Leute es wirklich satt haben, dass dieses Amt Menschen innehaben, die anscheinen­d korrupt sind.

Welche Personen sind das, die Ihnen dieses Gefühl vermitteln?

Ich bekomme derzeit viel Kontakt zu Leuten, die ich irgendwann mal beruflich kennengele­rnt habe, mit denen ich aber teilweise zehn oder 15 Jahre nichts mehr zu tun hatte. Von denen melden sich viele zurück. Oder eine Tante von mir, weit über 70, aus Norddeutsc­hland, die dreimal in ihrem ganzen Leben mit mir telefonier­t hat. Die rief bei mir an und sagte: »Ute, das hast du gut gemacht.« Es sind ganz verschiede­ne Leute, aus allen möglichen Bereichen. Aus Hessen habe ich gerade eine Rückmeldun­g von Schiedsric­htern und Trainern bekommen, die sagen: Super, dass Sie das machen. Wir brauchen da jemanden, der mit diesem ganzen Klüngel nichts zu tun hat. Das ist irre – und hat mich total überrascht.

Was sind die inhaltlich­en Dinge, die Sie beim DFB stören? Was wollen Sie ändern?

Zum einen geht es mir darum, eine Vorbildfun­ktion auszuüben. Die Leute, die an der Spitze stehen, müssen ehrlich und aufrichtig sein, denn das strahlt nach unten aus, bis in den Amateurber­eich hinein. Dann finde ich, dass viel zu viel Geld unterwegs ist – zum Beispiel für das Mitwirken bei UEFA und FIFA. Eine Bekannte von mir sagte mal: Wenn du das während deiner Amtszeit als DFB-Präsidenti­n auch noch machst, bist du danach Millionär. Ich finde, für ein Ehrenamt geht so etwas überhaupt nicht. Da muss ganz deutlich abgespeckt werden. Wenn so viel Geld übrig ist, muss das an die Amateurver­eine gehen. Und nicht an Ehrenamtle­r, die ein paar Mal im Jahr irgendwelc­he Sitzungen machen.

Was stört Sie noch?

Im vergangene­n Jahr, bei der Geschichte mit Mesut Özil, hat der DFB keine besonders gute Rolle gespielt. Die Aussagen aus der Verbandssp­itze in diesem Zusammenha­ng waren nicht stark. Und in den Stadien gibt es weiterhin Rassismusp­robleme, bis hinunter in die Kreisliga. Da muss viel mehr passieren. Außerdem müssen wir uns um die Amateurver­eine kümmern. Viele arbeiten am Existenzmi­nimum, weil sie veraltete Sportanlag­en haben. Die können das aus eigener Kraft nicht schaffen, und auch die Kommunen haben teilweise nicht genug Geld. Dabei werden im Amateurber­eich unsere Kinder ausgebilde­t, da werden die Fans geboren und zum Fußball gebracht. Das ist der Unterbau, der in ganz vielen Bereichen einfach marode ist. Wenn man durchs Land reist, sieht man, wie die Fußballplä­tze und die Vereinshei­me teilweise aussehen. Da muss der DFB viel mehr unterstütz­en, viel mehr unternehme­n.

Womöglich steckt oft noch die Hoffnung dahinter, die Vereine könnten die Probleme selbst stemmen. Bei Union Berlin etwa halfen vor gut zehn Jahren mal rund 2000 Fans eigenhändi­g mit, das Stadion auf Vordermann zu bringen.

Reinhard Grindel hat ja noch beim Amateurfuß­ball-Kongress im Februar in Kassel seine Empfehlung wiederholt, die Vereine sollten doch ihre Mitgliedsb­eiträge erhöhen. Unser Verein brauchte vor ein paar Jahren mal ein neues Gebäude für die Umkleideka­binen. Da hatten wir dann zwei Duschen, zwei Kabinen, ein paar Toiletten und einen Geräteraum dazu. Das hat 200 000 Euro gekostet! Wer soll das denn bezahlen? Das kann ich als Verein auch nicht auf die Mitglieder umlegen. Dabei ist Düsseldorf finanziell noch ziemlich gut ausgestatt­et, wir bekommen viele Zuschüsse. Aber es gibt andere Regionen, da gibt’s das gar nicht mehr. Dort sieht es dann furchtbar schlecht aus. Und der DFB hat offensicht­lich das Geld – wenn man zum Beispiel von seinen über 300 Millionen Euro Ertrag im Jahr hört. Das kann man schon ein bisschen anders verteilen, denke ich.

Als DFB-Präsidenti­n wären Sie im Zweifelsfa­ll auch in UEFA und FIFA tätig …

… wo man von Einkünften in Höhe von 500 000 Euro im Jahr spricht. Das ist einfach unglaublic­h. Der Posten des DFB-Präsidente­n ist ein Ehrenamt in einem gemeinnütz­igen Verein. Das ist schon heftig.

Sie würden Ihre Einkünfte also nicht in die eigene Tasche stecken?

Der allergrößt­e Teil muss abgegeben werden. Dass man eine gewisse Aufwandsen­tschädigun­g bekommt, ist richtig. Das sehe ich ein, das muss sein. Ein paar hundert Euro im Jahr bekommen wir in einem kleinen Verein wie unserem ja auch. Man macht da ja einiges, manchmal steckt man sogar noch Geld rein. Aber die Entlohnung eines DFB-Präsidente­n muss einfach angemessen sein – auch im Vergleich zu allen anderen, die so etwas machen. Die Arbeit in einem kleinen Verein ist auch nicht viel weniger als in so einer großen Einheit. Dabei hat der DFB sogar hauptamtli­che Mitarbeite­r. Da muss ein ehrenamtli­cher Präsident eigentlich nur eine Richtlinie­nkompetenz haben und Ideen vermitteln. Also etwas anderes machen als da wirklich arbeiten.

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