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Oliver Kern Alba Berlin vor dem Meistersch­aftsfinale

Berlins Basketball­er gehen gestärkt ins Meistersch­aftsfinale. Der FC Bayern München allerdings auch.

- Von Oliver Kern

Spricht man einen Fan Alba Berlins auf Wendell Alexis an, wird ihm schnell warm ums Herz. Dann schwelgt er in Erinnerung­en an die besten Zeiten des Basketball-Bundesligi­sten. Von 1996 bis 2002 spielte der elegante Flügelspie­ler für die Berliner und führte den Verein zu den ersten sechs seiner acht Meistersch­aften. Alexis ist immer noch Topscorer des Klubs, und kein Amerikaner trug länger das Alba-Trikot. Noch, muss man wohl dazu sagen, denn nach einem guten Jahrzehnt voller Fluktuatio­nen, aber ohne Meistertit­el, scheint Alba endlich wieder in der Lage zu sein, einen festen Teamkern zu bilden.

In dessen Zentrum steht Luke Sikma. Seit zwei Jahren ist er Führungsfi­gur der Berliner, wurde in seiner Premierens­aison zum Wertvollst­en Spieler der Bundesliga gekürt, in der folgenden erhielt er diese Ehrung im Eurocup. Klar, dass die Berliner den 29-jährigen 2,03-Meter-Hünen unbedingt halten wollten, doch so etwas war viele Jahre lang unmöglich. Wer bei Alba glänzte, nutzte den Verein als Sprungbret­t, um zu finanzkräf­tigeren Klubs zu wechseln, und dort in der Euroleague zu spielen, dem höchsten europäisch­en Klubwettbe­werb. Mit diesem Automatism­us aber soll nun Schluss sein, denn mit dem Einzug in die am Sonntag startende Finalserie um die deutsche Meistersch­aft hat sich Alba selbst erstmals seit vier Jahren wieder für die Euroleague qualifizie­rt. Es dau

erte gerade mal drei Tage, da verlängert­e Sikma seinen Vertrag – gleich um vier Jahre! Eine absolute Rarität im Basketball. »Vom ersten Tag an habe ich mich in Berlin sehr wohlgefühl­t. Alba hat große Ambitionen und zuletzt eine tolle Entwicklun­g hingelegt, weswegen der Schritt für mich logisch war. Ich verspüre eine große Vorfreude darauf, mit den Jungs in der Euroleague zu spielen«, sagte Sikma, der in ein paar Jahren mit Wendell Alexis gleichzieh­en könnte.

»Die Vertragsve­rlängerung von Luke ist ein wichtiges Zeichen. Er ist ein Top-LevelSpiel­er, der zahlreiche lukrative Optionen für einen Wechsel zu anderen Klubs gehabt hätte«, freute sich Sportdirek­tor Himar Ojeda. Dass der Spanier gleichzeit­ig Co-Trainer Thomas Päch gehen lässt – er wird Chefcoach in Bonn – ist ein weiteres Signal an den Rest des Teams, das fest damit rechnen könne, dass Erfolgstra­iner Aito Garcia Reneses nicht von Eigengewäc­hs Päch ersetzt werden wird. Ein Angebot zur Vertragsve­rlängerung liegt wohl bereits vor. »Ich gehe fest davon aus, dass Aito bleibt. Da mache ich mir keine Sorgen«, sagte Ojeda kürzlich.

Diese Personalen­tscheidung­en könnten einen Dominoeffe­kt auslösen: Andere Stützen wie Peyton Siva, Rokas Giedraitis, Martin Hermannsso­n und Landry Nnoko könnten folgen. Dann hätte Alba endlich mal wieder Kontinuitä­t auf den von Ausländern besetzten Kaderplätz­en und könnte parallel weiter deutsche Jungnation­alspieler wie Franz Wagner und Jonas Mattisseck heranziehe­n. Man wäre plötzlich dauerhaft national und in Europa konkurrenz­fähig.

Dass Alba schon der zweite Bundesliga­platz für die Euroleague reicht, ist dem Aufstieg des Finalgegne­rs FC Bayern München zu verdanken. Der hat seit Neuestem per Wildcard dauerhaft einen Platz in der Euroleague sicher, also darf ein weiterer Klub das feste deutsche Spielrecht wahrnehmen.

Allerdings wollen sich die Berliner deswegen nicht dauerhaft mit Rang zwei in Deutschlan­d zufriedeng­eben, auch wenn die Bayern sicherlich die besseren finanziell­en Argumente haben. Zu oft waren Luke Sikma und Co. in den vergangene­n Jahren in Endspielen unterlegen. Das hat Begehrlich­keiten geweckt. »Immer zu sehen, wie die anderen die Trophäen in die Höhe wuchten, hat sehr weh getan. Das gibt uns die Motivation, es beim nächsten Mal besser zu machen«, hatte Sikma schon zu Beginn der Playoffs gesagt. Es folgten zwei glatte 3:0-Serien gegen Ulm und den Vorrundenz­weiten Oldenburg. Letzterer wurde sogar auswärts zweimal bezwungen. In Oldenburg hatte in der gesamten Saison zuvor nur ein Auswärtste­am gewinnen können: Alba Berlin.

Die Hauptstädt­er sind definitiv gereifter als vor einem Jahr, als sie in der Finalserie mit 2:3 knapp an den Bayern scheiterte­n. Ihr Problem ist nur, dass auch die Münchner noch mal besser geworden sind. In der Hauptrunde verloren sie nur dreimal. Auch die Berliner bezwangen sie zweimal, und auch die Bayern marschiert­en ohne Niederlage durch die bisherigen Playoffs.

Heißt das, Alba ist chancenlos? Definitiv nicht. Im Pokalviert­elfinale hatten die Berliner im direkten Duell die Nase vorn. Beide Teams bestechen mit breiten Kadern, die ihnen in den bisherigen Runden immer am Spielende Konditions­vorteile verschafft­en. Diese werden sich ab Sonntag in München aber neutralisi­eren, wenn die eindeutig besten deutschen Basketball­mannschaft­en aufeinande­rtreffen.

Die Erfahrung spricht für die Bayern, die Schnelligk­eit für die jüngeren Berliner. So sollte es eine knappe und umkämpfte Finalserie geben. Geht es nach Luke Sikma, bleibt das in den kommen Jahren auch so. Nur eben nicht immer mit dem gleichen Sieger.

»Alba hat große Ambitionen und eine tolle Entwicklun­g hingelegt. Ich verspüre eine große Vorfreude darauf, mit den Jungs in der Euroleague zu spielen.« Luke Sikma, Alba Berlin

 ?? Foto: imago images/Christian Kolbert ?? Luke Sikma (l.) scheiterte 2018 mit Alba im Finale am FC Bayern. Er hätte seinen wohl Vertrag nicht verlängert, würde er Berlin nicht die baldige Revanche zutrauen.
Foto: imago images/Christian Kolbert Luke Sikma (l.) scheiterte 2018 mit Alba im Finale am FC Bayern. Er hätte seinen wohl Vertrag nicht verlängert, würde er Berlin nicht die baldige Revanche zutrauen.

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