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Sanktionen, Ölpreisver­fall, Rubelschwä­che

Die früheren Sonderbezi­ehungen sind weitgehend aufgelöst, für die ostdeutsch­e Wirtschaft ist Russland kein zentraler Markt mehr.

- Von Stephan Kaufmann

Insbesonde­re aus Ostdeutsch­land wird der Ruf nach einem Ende der Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland lauter. Thüringens Exportwirt­schaft leide besonders unter den Sanktionen, sagte kürzlich Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linksparte­i). Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) hat einen schrittwei­sen Abbau der Sanktionen gefordert. Die sächsische­n Industrie- und Handelskam­mern begrüßten die Initiative Kretschmer­s. Rückendeck­ung bekam er auch von Mecklenbur­gVorpommer­ns Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig und Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (beide SPD).

Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch: Für einzelne Unternehme­n ist Russland zwar ein wichtiger Markt. Seine Bedeutung für die gesamte ostdeutsch­e Wirtschaft jedoch war ohnehin gering und ist weiter geschrumpf­t.

Schon 2012 – also zwei Jahre vor der Einführung der Sanktionen – waren deutschlan­dweit nur rund 24 000 Beschäftig­te direkt oder indirekt in die Warenliefe­rungen aus Ostdeutsch­land nach Russland eingebunde­n, errechnet das Institut für Wirtschaft­sforschung in Halle (IWH). Diese ohnehin geringe Anzahl schrumpfte bereits ab 2012, da die Lieferunge­n nach Russland abnahmen. Gründe waren der sinkende Ölpreis und der schwächere Rubel, die die Kaufkraft Russlands und damit seine Einfuhren minderten.

Dieser Rückgang des Handels wurde durch die Einführung der Sanktionen 2014 nur noch verstärkt. Folge: In den vergangene­n 20 Jahren hatten die Ausfuhren nach Russland im Durchschni­tt einen Anteil von 2,4 Prozent an den gesamten deutschen Ausfuhren. Dieser Anteil sei 2018 auf etwa zwei Prozent gesunken. Welchen Anteil die Sanktionen an diesem Rückgang hatten, ist allerdings nicht zu beziffern, sagte IWH-Vizechef Oliver Holtemölle­r dem »nd«. Denn zeitgleich mit der Einführung der Sanktionen sei auch der Ölpreis weiter stark gesunken, zwischen 2014 und 2016 stürzte er um 75 Prozent ab. »Das hat auch zum Rückgang der Exporte nach Russland beigetrage­n«, so Holtemölle­r.

Die Sanktionen stellen für die deutsche Wirtschaft laut Holtemölle­r gesamtwirt­schaftlich keine besonders große Belastung dar. Die ostdeutsch­e Wirtschaft sei insgesamt nur wenig stärker in Russland engagiert als der Westen. Für die sächsische Wirtschaft spielt Russland eine sehr kleine Rolle: Nur 1,3 Prozent der Exporte Sachsens gehen nach Russland. In Sachsen-Anhalt, Brandenbur­g und Thüringen sind es laut Statistisc­hem Bundesamt knapp zwei Prozent der Ausfuhren. Ungleich wichtiger sind andere Absatzmärk­te: So verkaufen Sachsens Unternehme­n in die USA siebenmal mehr als nach Russland, die Ausfuhr nach China ist zwölfmal höher.

Die vom Handelsvol­umen her stärkste Verbindung hat Mecklenbur­g-Vorpommern, wo der Anteil Russlands an den gesamten Exporten bei 3,2 Prozent liegt. Mit 230 Millionen Euro waren die mecklenbur­gischen Ausfuhren nach Russland jedoch nicht einmal halb so groß wie die nach Polen.

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