Sanktionen, Ölpreisverfall, Rubelschwäche
Die früheren Sonderbeziehungen sind weitgehend aufgelöst, für die ostdeutsche Wirtschaft ist Russland kein zentraler Markt mehr.
Insbesondere aus Ostdeutschland wird der Ruf nach einem Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland lauter. Thüringens Exportwirtschaft leide besonders unter den Sanktionen, sagte kürzlich Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei). Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat einen schrittweisen Abbau der Sanktionen gefordert. Die sächsischen Industrie- und Handelskammern begrüßten die Initiative Kretschmers. Rückendeckung bekam er auch von MecklenburgVorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD).
Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch: Für einzelne Unternehmen ist Russland zwar ein wichtiger Markt. Seine Bedeutung für die gesamte ostdeutsche Wirtschaft jedoch war ohnehin gering und ist weiter geschrumpft.
Schon 2012 – also zwei Jahre vor der Einführung der Sanktionen – waren deutschlandweit nur rund 24 000 Beschäftigte direkt oder indirekt in die Warenlieferungen aus Ostdeutschland nach Russland eingebunden, errechnet das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Diese ohnehin geringe Anzahl schrumpfte bereits ab 2012, da die Lieferungen nach Russland abnahmen. Gründe waren der sinkende Ölpreis und der schwächere Rubel, die die Kaufkraft Russlands und damit seine Einfuhren minderten.
Dieser Rückgang des Handels wurde durch die Einführung der Sanktionen 2014 nur noch verstärkt. Folge: In den vergangenen 20 Jahren hatten die Ausfuhren nach Russland im Durchschnitt einen Anteil von 2,4 Prozent an den gesamten deutschen Ausfuhren. Dieser Anteil sei 2018 auf etwa zwei Prozent gesunken. Welchen Anteil die Sanktionen an diesem Rückgang hatten, ist allerdings nicht zu beziffern, sagte IWH-Vizechef Oliver Holtemöller dem »nd«. Denn zeitgleich mit der Einführung der Sanktionen sei auch der Ölpreis weiter stark gesunken, zwischen 2014 und 2016 stürzte er um 75 Prozent ab. »Das hat auch zum Rückgang der Exporte nach Russland beigetragen«, so Holtemöller.
Die Sanktionen stellen für die deutsche Wirtschaft laut Holtemöller gesamtwirtschaftlich keine besonders große Belastung dar. Die ostdeutsche Wirtschaft sei insgesamt nur wenig stärker in Russland engagiert als der Westen. Für die sächsische Wirtschaft spielt Russland eine sehr kleine Rolle: Nur 1,3 Prozent der Exporte Sachsens gehen nach Russland. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen sind es laut Statistischem Bundesamt knapp zwei Prozent der Ausfuhren. Ungleich wichtiger sind andere Absatzmärkte: So verkaufen Sachsens Unternehmen in die USA siebenmal mehr als nach Russland, die Ausfuhr nach China ist zwölfmal höher.
Die vom Handelsvolumen her stärkste Verbindung hat Mecklenburg-Vorpommern, wo der Anteil Russlands an den gesamten Exporten bei 3,2 Prozent liegt. Mit 230 Millionen Euro waren die mecklenburgischen Ausfuhren nach Russland jedoch nicht einmal halb so groß wie die nach Polen.