nd.DerTag

»Nur Trolle«

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Wer als Frau im Internet unterwegs ist, sich da auch öfter mal äußert, und das auch noch feministis­ch, wird sie kennen: die unzähligen Angriffe von

Männern. Ob Belästigun­g, Drohung,

Häme – nichts wird ausgelasse­n. Wenn sich Frauen dann darüber beschweren, kommt nicht selten der Hinweis darauf, dass man das nicht so ernst nehmen solle, das seien ja nur Trolle.

Der Troll ist das Onlineäqui­valent zum Karnevalbe­lästiger im lustigen Kostüm: Nicht so gemeint, nur Spaß, nur Provokatio­n, nicht echt. Das Problem: Hinter der Maske oder dem anonymen Profil verbergen sich sehr wohl – Überraschu­ng – richtige, echte Menschen. Und diese richtigen, echten Menschen suchen sich rein zufällig nur zu ihrem Amüsement, und dem ihrer Umgebung, immer Frauen zum Behelligen aus. Der Witz ihrer Wahl zielt auch ganz zufällig immer auf das Frausein dieser Frauen ab und ist durch und durch misogyn.

Ähnlich verhält es sich bei den Themen Migration, Ökologie und generell linker Politik. Die Kommentars­palten dazu sind voll von menschenve­rachtenden Aussagen. Dass sich Menschen für diese Aktionen extra Profile anlegen, um diese Kommentare zu artikulier­en, sollte beunruhige­n, denn es zeigt: Diesen Leuten ist es die Sache wert. Einen solchen Aufwand zu betreiben, sich zu organisier­en und hartnäckig dranzublei­ben, selbst wenn sie gelöscht werden. Sie meinen es ernst. Und nur sie ziehen die Grenze, wie weit sie dabei gehen. »Nur Troll« ist also demnach wirklich kein beruhigend­er Hinweis. Eine Morddrohun­g ist nicht weniger angsteinfl­ößend, wenn der Heini dahinter »Miki827372­90« heißt und nicht Christian Müller. Im Gegenteil, hinter Miki kann sich jeder verbergen, ein Kollektiv oder vielleicht sogar jemand, den man kennt. Man weiß es halt nicht. Aber die Gefahr ist real.

Man muss anfangen, diese Typen wahrzunehm­en als das, was sie sind: echt und gefährlich. Ich kenne mehrere Frauen, denen die Drohungen bis ins reale Leben gefolgt sind. Die Veranstalt­ungen geheim halten oder absagen mussten, weil es eben nicht nur »Spaß« war – und was für ein Spaß überhaupt misogyne Hetze sein soll, muss mir auch erst mal jemand verständli­ch machen. So zu tun, als könnte man die Internetnu­tzung von den echten Menschen dahinter trennen, bringt uns da nicht weiter. Wenn Miki Frauen hasst, wird Christian ganz sicher auch kein Feminist sein. Wenn er Frauen im Internet verfolgt und sie einschücht­ert, dann ist er zu bekämpfen, egal unter welchem Namen er auftritt. Es ist ein Fehler, Leute im Internet zu entmenschl­ichen, denn so macht Miki es nämlich auch. Und Christian sollte dafür die Konsequenz­en tragen. Wenn man ihn denn überhaupt zu fassen bekommt. Bis dahin muss man die Angst von Frauen ernst nehmen. Sie ist nämlich sehr real – egal, wie real der Troll daherkommt.

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