Der Regierende, die SPD und das Bauen
Die Bürgerstadt Buch wirft vor allem ein Licht auf den sozialdemokratischen Baufilz
Der Stopp des Stadtentwicklungsplans Wohnen durch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) sorgt vor allem für Irritationen. Baulobbyisten scheinen nicht unschuldig zu sein.
»Der Regierende kann doch nicht über die Abendschau Ansagen über städtebauliche Entwicklungsgebiete machen«, sagt der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) zu »nd«. Nach der Ablehnung des Stadtentwicklungsplans (SteP) Wohnen 2030 bei der Senatssitzung am vergangenen Dienstag hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) einen Tag drauf in den Berliner Lokalnachrichten des rbb erklärt, dass in dem Papier viel zu wenige Neubauwohnungen enthalten seien. Die Diskussionen hätten sich weiterentwickelt durch den Mietendeckel in den letzten Monaten, erklärte er treuherzig. Und nennt die Bürgerstadt Buch als Beispiel dafür, dass »Politiker nicht die obersten Bedenkenträger« sein sollten.
Das ist schon ein starkes Stück. Vor etwas über einem Monat traten die Initiatoren der Bürgerstadt Buch mit ihrem Vorschlag an die Öffentlichkeit, Wohnungen für 100 000 Menschen hauptsächlich auf einem Gebiet zwischen dem Berliner Ring A10 und dem Eisenbahn-Außenring zu errichten. Schon damals äußerte sich der Kreisverband Pankow der SPD entsetzt. »Gigantische Projekte, mit denen Schutzgebiete der Natur oder ganze Kleingartenanlagen zerstört werden, sind mit uns nicht zu machen«, erklärte postwendend der Kreisvorsitzende Knut Lambertin. Auch der Bezirk Pankow fiel aus allen Wolken und legte ausführlich dar, was überhaupt möglich sei.
Vor 30 Jahren hätten Pankower Sozialdemokraten »zentralistischen Entscheidungen über die Köpfe der Pankowerinnen und Pankower hinweg eine Absage erteilt«, sagte der SPD-Kreisvorsitzende Lambertin. »Das gilt weiterhin – auch für solche aus dem alten West-Berlin!«
Das wirft ein Licht auf die engen Beziehungen einiger Genossen zur Baubranche. Denn neben dem notorischen Volker Härtig, Vorsitzender des Fachausschusses Soziale Stadt der SPD, taucht bei der Bürgerstadt auch Günter Fuderholz wieder auf. Unter dubiosen Umständen wechselte der einstige Abteilungsleiter in der Stadtentwicklungsverwaltung 1998 zu einer Tochterfirma der Bankgesellschaft Berlin. Stein des Anstoßes war ein Grundstücksverkauf ausgerechnet in dem Gebiet, das Fuderholz nun als Bürgerstadt bebaut sehen will.
Sein ehemaliger Dienstherr, der einstige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, ist ebenfalls als Berater für Bauprojekte sehr umtriebig. Unter anderem rund um die umstrittene Bebauung der Kreuzberger Cuvrybrache soll er lobbyiert haben, genauso wie am Leipziger Platz. 2016 brachte den damaligen Stadtentwicklungs- und heutigen Innensenator Andreas Geisel (SPD) die von ihm verfügte Befreiung des Investors von Auflagen politisch in die Enge.
Derzeit widmet sich Strieder unter anderem der Beratung rund um die geplante Bebauung am Checkpoint Charlie. Seit Oktober 2018 hat die »Strieder Kommunikation und Strategie GmbH« (SKS) mit Philipp Mühlberg ein weiteres SPD-Mitglied als CoGeschäftsführer. Bis September 2018 war Mühlberg, der Vorsitzender der Abteilung Schmargendorf der SPD ist, noch bei der Stadtentwicklungsverwaltung in leitender Position tätig. Zu seinem Wechsel möchte er sich nach einem Telefonat leider nicht zitieren lassen. Nur so viel will er öffentlich sagen: Für den umstrittenen Checkpoint-Charlie-Investor Trockland sei die SKS nicht tätig. Trotzdem bleibt auch dieser Job bei der SPD, vergangenen Sommer beschwerten sich Baupolitiker der rot-rot-grünen Koalition, dass die einstige Berliner Finanzstaatssekretärin Gabriele Thöne sie in dieser Hinsicht kontaktiere.
Michael Grunst wünscht sich eine lösungsorientierte Baupolitik. Ein großes Problem sei die Schaffung von neuem bezahlbaren Wohnraum. »Man muss darüber nachdenken, das Berliner Modell noch einmal zu verschärfen«, sagt er. Möglicherweise also einen fünfzigprozentigen Anteil an Sozialwohnungen vorzuschreiben. Investorenlobbyisten werden Müller kaum auf solche Ideen bringen.
»Man muss darüber nachdenken, das Berliner Modell noch einmal zu verschärfen.« Michael Grunst (LINKE) Bürgermeister Lichtenberg