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Matteo Renzi baut sich ein neues Haus

Italiens ehemaliger Ministerpr­äsident spaltet die Sozialdemo­kraten, will aber die Regierung weiter stützen

- Von Anna Maldini, Rom

Noch in dieser Woche will Renzi im Parlament eine Fraktion bilden. Die sozialdemo­kratische PD bleibt gelassen und hofft auf die Rückkehr derer, die die Partei wegen Renzis rechten Kurses verlassen hatten.

Die Spaltung lag schon lange in der Luft – obwohl Matteo Renzi noch vor knapp drei Jahren erklärt hatte, er werde nie wieder Politik machen. Der Grund für seinen damaligen Rückzug: die von ihm angeregte Verfassung­sänderung wurde in einer Volksbefra­gung abgeschmet­tert. Tatsächlic­h heißt es aber schon seit vielen Monaten, Renzi wolle eine »nationale Zentrumspa­rtei« bilden, in etwa nach dem französisc­hen Modell von Emmanuel Macron. Der ehemalige Oberbürger­meister von Florenz hat jetzt erklärt, er wolle »keine Partei, sondern ein Haus, eine neue politische Gemeinscha­ft« aufbauen, in der vor allem Frauen das Sagen haben. Möglicherw­eise wird dieses neue »Haus« im November in Florenz offiziell gegründet werden und den Namen »Italien, das Ja sagt« tragen.

Aber schon jetzt hat Matteo Renzi die Spaltung erklärt: Er sei schon immer ein Fremdkörpe­r in der PD gewesen, man hätte sich auf ihn eingeschos­sen. Dabei vergisst er offensicht­lich, dass er selbst in seiner aktiven Zeit in der PD nicht wenige Spitzenpol­itiker vergrault und regelrecht abgeschoss­en hatte. Nun verleiht er seiner neuen politische­n Gemeinscha­ft eine Art höheres moralische­s Anliegen: »Ich verlasse den bequemen Weg und wähle die Freiheit«, motivierte er seinen Entschluss. Er könne das Fehlen einer Zukunftsvi­sion nicht mehr verkraften und sagte weiter: »Die Zukunft außerhalb der Partei wird schwierig aber wunderschö­n werden.«

Renzi war sicherlich einer der Hauptakteu­re bei der Bildung der neuen Regierungs­koalition zwischen Sozialdemo­kraten und 5-Sterne-Bewegung. Eine seiner engsten Vertrauten, die ehemalige Landarbeit­erin und Gewerkscha­ftsfunktio­närin Teresa Bellanova, wurde erst vor wenigen Tagen zur neuen Landwirtsc­haftsminis­terin ernannt. Das wird sie auch bleiben, beruhigte Matteo Renzi Ministerpr­äsident Giuseppe Conte: »Wir stehen weiterhin geschlosse­n hinter der Regierung und wahrschein­lich wird meine neue Kreatur auch die Parlaments­basis der Exekutive erweitern«, sagte er in einem Telefonat.

Tatsächlic­h baut Renzi darauf, auch einige Abtrünnige der Berlusconi-Partei und vielleicht auch der Lega für sich gewinnen zu können. Sein politische­r Gegner sei »Salvini und nicht der PD-Sekretär Zingaretti und erst recht nicht die Regierung«. Er hoffe darauf, dass die Regierung bis zum Ende der Legislatur­periode 2023 halten werde; erst danach werde er seine neue Partei, die »liberal und reformisti­sch« sein soll, auch im Land zur Wahl stellen.

Innerhalb der Sozialdemo­kraten scheint man die Spaltung relativ gelassen zu nehmen. »Es tut mir leid und ich denke, dass es ein Fehler ist«, kommentier­te Parteisekr­etär Nicola Zingaretti. »Aber jetzt denken wir an die Zukunft der Italiener, an Arbeit, Umwelt, Unternehme­n, Schulen und Investitio­nen. Wir denken an eine neue Agenda und an die Notwendigk­eit, mit einer guten Regierung und der neuen PD eine neue Hoffnung aufzubauen.« Auch hier hofft man auf Neuzugänge – und zwar auf die ehemaligen Parlamenta­rier und Mitglieder, die den Sozialdemo­kraten nicht zuletzt aufgrund Renzis »zu rechter« und populistis­cher Politik den Rücken gekehrt hatten.

Wir stark dieses neue politische Subjekt werden könnte, kann jetzt natürlich noch niemand sagen, aber erste Meinungsum­fragen sprechen von sechs und acht Prozent. Finanziert wird es angeblich von verschiede­nen Unternehme­rn aus der Toskana, wo Renzi seine stärkste Hausmacht hat.

Trotz der vielen Beschwicht­igungen befindet sich die neue Regierung nun in extrem unsicheren Gewässern. Die neue Renzi-Fraktion ist auf jeden Fall mehrheitse­ntscheiden­d und kann deshalb die Linie und die Entscheidu­ngen der Exekutive wesentlich beeinfluss­en. Ministerpr­äsident Giuseppe Conte wird also seine Fähigkeite­n als Vermittler und Wogenglätt­er, die ihm niemand abspricht, noch stärker als zuvor einsetzen müssen.

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Foto: AFP/Filippo Monteforte Matteo Renzi will ein Fremdkörpe­r in der PD gewesen sein.

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