Das Kreuz mit dem Kunstrasen
Wie Kommunen und Fußballvereine in Bayern mit dem Thema Mikroplastik und Sport umgehen
Kunstrasen auf Sportplätzen ist pflegeleicht. Doch es wird teilweise mit Granulat aufgefüllt, das gefährliches Mikroplastik absondert.
Sie hat viel Staub aufgewirbelt, die Studie des Frauenhofer Instituts zu Mikroplastik. Die größte Verantwortung für diese Art der Umweltverschmutzung trägt demnach der Abrieb von Auto- und Motorradreifen. Der schlägt immerhin mit 1,2 Kilogramm Mikroplastik pro Kopf und Jahr in der Umwelt zu Buche. Aufgeschreckt aber hat das Ergebnis, dass auch die Verwehungen von Sportund Spielplätzen, die mit Kunstrasen ausgestattet sind, Mikroplastik freisetzen. Immerhin 131,8 Gramm pro Kopf, was rund 11 000 Tonnen im Jahr entspricht. Wie geht man in Bayern damit um?
Der Kunstrasen schien die ideale Lösung für die Fußballvereine zu sein: Das ganze Jahr bespielbar, schön eben, leicht zu pflegen und darauf lässt sich bei jedem Wetter kicken. Anders als der Grasplatz, auf dem das Wasser bei Regen steht, und der sich allmählich in Schlamm verwandelt. Der TSV Neudrossenfeld im Landkreis Kulmbach zum Beispiel nutzt seit vier Jahren Kunstrasen. Hier trainiert im Winter auch die SpVgg Bayreuth. Der Nachteil: Kunstrasenplätze müssen von Zeit zu Zeit mit Granulat aufgefüllt werden, woraus durch Regen und Wind Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Problematisch ist dabei vor allem jenes Granulat, das aus dem Recycling von Altreifen stammt. Beim TSV Neudrossenfeld ist noch nicht aufgefallen, dass das Granulat sich verflüchtigt. Sie hätten in den vier Jahren des Bestandes noch keinen Krümel nachgefüllt, versichert Alfred Wirth, zweiter Vereinsvorsitzender. Aber wie geht man jetzt weiter mit dem Problem um? Plant doch auch der FC Kupferberg im Landkreis Bamberg einen Kunstrasenplatz. So etwas kostet immerhin rund 700 000 Euro.
Einige Kilometer weiter in Nürnberg ist man in Sachen Mikroplastik von Kunstrasen fein raus. »Wir haben zwar 260 öffentliche Spiel- und Sportstätten«, sagt Inna Klaas von der Stadtverwaltung, »aber nur zwei mit Kunstrasen.« Und die würden, weil sie schon älter sind, seit Jahren nicht mehr mit Altreifen-Granulat, sondern mit Quarzsand aufgefüllt. »Ein großes Problem haben wir also nicht«, so die Mitarbeiterin der Stadt.
Etwas anders sieht es in der bayerischen Landeshauptstadt aus. München unterhält 47 Kunstrasenplätze, darunter 35 Großspielfelder. Hinzu kommen an die 130 Kunstrasenplätze der Fußballvereine. Künftig will die Stadtverwaltung bei der Modernisierung oder dem Neubau von Plätzen auf Kunstrasen der dritten Generation setzten, bei der eine Füllung aus Quarz und Granulat benutzt wird. Diese Mischung setzt die Stadt auch schon seit zehn Jahren zur Auffüllung der Plätze ein, bei lediglich zwei Plätzen wird noch das Granulat aus den Altreifen verwendet.
Vor den Toren Münchens liegt Baldham und das Thema Mikroplastik hat auch den SC Baldham Vaterstetten getroffen. Das übliche Szenario: 42 Mannschaften brauchen Platz zum Trainieren. Doch Rasenplätze brauchen ihre Zeit für die Regeneration, im Winter geht darauf fast gar nichts. Deshalb stand auch hier die Umwandlung eines Rasenplatzes in einen Kunstrasenplatz an. Im Oktober soll der neue Platz eingeweiht werden. Einen Teil der Kosten sollte über Sponsoren finanziert werden, doch die Spenden blieben aus. Die Mikroplastik-Diskussion kam dazwischen, glaubt man im Verein.
Kunstrasen und Fußball, das ist ein flächendeckendes Thema, 4600 Fußballvereine gibt es in Bayern. Organisiert sind sie im Bayerischen Fußballverband. Dessen Pressesprecher Fabian Frühwirth sagt, um das Thema abschließend zu bewerten, bedürfe es noch weiterer Studien. In Bayern werden aktuell 323 Kunststoffrasenplätze als aktive Spielstätten betrieben. Der Verband hat für seine Mitglieder eine erste Stellungnahme herausgegeben. Darin sieht man sich einig mit dem Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Zentrale Aussage: Weder »für die Austragungsmengen von Füllstoffen noch für die Auswirkungen eines Verbots auf die Verfügbarkeit von Sportanlagen« lägen ausreichende Datenerhebungen, Risikoanalysen und Folgeabschätzungen vor. Der Verband: »Es bedarf weiterer wissenschaftlicher Studien, um Wissenslücken zu schließen und um umweltfreundlichere Materialien im Sportplatzbau zu entwickeln.«
So gibt es neben dem häufig genutzten Kunststoffgranulat alternative Füllstoffe für Kunststoffrasensysteme, die in Teilen auch bereits beim Betrieb von Sportanlagen genutzt werden. Plätze wie in Nürnberg und München werden mit Sand und/oder Kork verfüllt. Zudem gibt es auch Systeme, die ohne elastischen Füllstoff betrieben werden können. Es existieren bisher allerdings nur wenige belastbare Studien darüber, wie sich diese Alternativen qualitäts- und kostenmäßig vergleichen lassen. Zudem, so der Fußballverband, müsste untersucht werden, ob und wie sich die Bespielbarkeit oder das Verletzungsrisiko der alternativ befüllten Kunststoffrasenflächen bei den verschiedenen Alternativfüllungen verändere. Es bedürfe daher dringend weiterer wissenschaftlicher Expertise zur Praxistauglichkeit alternativer, organischer Füllstoffe und zur sportartspezifischen Eignung von Kunststoffrasenplätzen, die ohne Füllstoffe auskommen.