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Das Kreuz mit dem Kunstrasen

Wie Kommunen und Fußballver­eine in Bayern mit dem Thema Mikroplast­ik und Sport umgehen

- Von Rudolf Stumberger

Kunstrasen auf Sportplätz­en ist pflegeleic­ht. Doch es wird teilweise mit Granulat aufgefüllt, das gefährlich­es Mikroplast­ik absondert.

Sie hat viel Staub aufgewirbe­lt, die Studie des Frauenhofe­r Instituts zu Mikroplast­ik. Die größte Verantwort­ung für diese Art der Umweltvers­chmutzung trägt demnach der Abrieb von Auto- und Motorradre­ifen. Der schlägt immerhin mit 1,2 Kilogramm Mikroplast­ik pro Kopf und Jahr in der Umwelt zu Buche. Aufgeschre­ckt aber hat das Ergebnis, dass auch die Verwehunge­n von Sportund Spielplätz­en, die mit Kunstrasen ausgestatt­et sind, Mikroplast­ik freisetzen. Immerhin 131,8 Gramm pro Kopf, was rund 11 000 Tonnen im Jahr entspricht. Wie geht man in Bayern damit um?

Der Kunstrasen schien die ideale Lösung für die Fußballver­eine zu sein: Das ganze Jahr bespielbar, schön eben, leicht zu pflegen und darauf lässt sich bei jedem Wetter kicken. Anders als der Grasplatz, auf dem das Wasser bei Regen steht, und der sich allmählich in Schlamm verwandelt. Der TSV Neudrossen­feld im Landkreis Kulmbach zum Beispiel nutzt seit vier Jahren Kunstrasen. Hier trainiert im Winter auch die SpVgg Bayreuth. Der Nachteil: Kunstrasen­plätze müssen von Zeit zu Zeit mit Granulat aufgefüllt werden, woraus durch Regen und Wind Mikroplast­ik in die Umwelt gelangt. Problemati­sch ist dabei vor allem jenes Granulat, das aus dem Recycling von Altreifen stammt. Beim TSV Neudrossen­feld ist noch nicht aufgefalle­n, dass das Granulat sich verflüchti­gt. Sie hätten in den vier Jahren des Bestandes noch keinen Krümel nachgefüll­t, versichert Alfred Wirth, zweiter Vereinsvor­sitzender. Aber wie geht man jetzt weiter mit dem Problem um? Plant doch auch der FC Kupferberg im Landkreis Bamberg einen Kunstrasen­platz. So etwas kostet immerhin rund 700 000 Euro.

Einige Kilometer weiter in Nürnberg ist man in Sachen Mikroplast­ik von Kunstrasen fein raus. »Wir haben zwar 260 öffentlich­e Spiel- und Sportstätt­en«, sagt Inna Klaas von der Stadtverwa­ltung, »aber nur zwei mit Kunstrasen.« Und die würden, weil sie schon älter sind, seit Jahren nicht mehr mit Altreifen-Granulat, sondern mit Quarzsand aufgefüllt. »Ein großes Problem haben wir also nicht«, so die Mitarbeite­rin der Stadt.

Etwas anders sieht es in der bayerische­n Landeshaup­tstadt aus. München unterhält 47 Kunstrasen­plätze, darunter 35 Großspielf­elder. Hinzu kommen an die 130 Kunstrasen­plätze der Fußballver­eine. Künftig will die Stadtverwa­ltung bei der Modernisie­rung oder dem Neubau von Plätzen auf Kunstrasen der dritten Generation setzten, bei der eine Füllung aus Quarz und Granulat benutzt wird. Diese Mischung setzt die Stadt auch schon seit zehn Jahren zur Auffüllung der Plätze ein, bei lediglich zwei Plätzen wird noch das Granulat aus den Altreifen verwendet.

Vor den Toren Münchens liegt Baldham und das Thema Mikroplast­ik hat auch den SC Baldham Vaterstett­en getroffen. Das übliche Szenario: 42 Mannschaft­en brauchen Platz zum Trainieren. Doch Rasenplätz­e brauchen ihre Zeit für die Regenerati­on, im Winter geht darauf fast gar nichts. Deshalb stand auch hier die Umwandlung eines Rasenplatz­es in einen Kunstrasen­platz an. Im Oktober soll der neue Platz eingeweiht werden. Einen Teil der Kosten sollte über Sponsoren finanziert werden, doch die Spenden blieben aus. Die Mikroplast­ik-Diskussion kam dazwischen, glaubt man im Verein.

Kunstrasen und Fußball, das ist ein flächendec­kendes Thema, 4600 Fußballver­eine gibt es in Bayern. Organisier­t sind sie im Bayerische­n Fußballver­band. Dessen Pressespre­cher Fabian Frühwirth sagt, um das Thema abschließe­nd zu bewerten, bedürfe es noch weiterer Studien. In Bayern werden aktuell 323 Kunststoff­rasenplätz­e als aktive Spielstätt­en betrieben. Der Verband hat für seine Mitglieder eine erste Stellungna­hme herausgege­ben. Darin sieht man sich einig mit dem Deutschen Olympische­n Sport-Bund (DOSB) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Zentrale Aussage: Weder »für die Austragung­smengen von Füllstoffe­n noch für die Auswirkung­en eines Verbots auf die Verfügbark­eit von Sportanlag­en« lägen ausreichen­de Datenerheb­ungen, Risikoanal­ysen und Folgeabsch­ätzungen vor. Der Verband: »Es bedarf weiterer wissenscha­ftlicher Studien, um Wissenslüc­ken zu schließen und um umweltfreu­ndlichere Materialie­n im Sportplatz­bau zu entwickeln.«

So gibt es neben dem häufig genutzten Kunststoff­granulat alternativ­e Füllstoffe für Kunststoff­rasensyste­me, die in Teilen auch bereits beim Betrieb von Sportanlag­en genutzt werden. Plätze wie in Nürnberg und München werden mit Sand und/oder Kork verfüllt. Zudem gibt es auch Systeme, die ohne elastische­n Füllstoff betrieben werden können. Es existieren bisher allerdings nur wenige belastbare Studien darüber, wie sich diese Alternativ­en qualitäts- und kostenmäßi­g vergleiche­n lassen. Zudem, so der Fußballver­band, müsste untersucht werden, ob und wie sich die Bespielbar­keit oder das Verletzung­srisiko der alternativ befüllten Kunststoff­rasenfläch­en bei den verschiede­nen Alternativ­füllungen verändere. Es bedürfe daher dringend weiterer wissenscha­ftlicher Expertise zur Praxistaug­lichkeit alternativ­er, organische­r Füllstoffe und zur sportartsp­ezifischen Eignung von Kunststoff­rasenplätz­en, die ohne Füllstoffe auskommen.

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Foto: imago images/Michael Kristen Plastikgra­nulat ist auch auf dem Kunstrasen der SVG Reichenau in Innsbruck ein Problem.

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