Generalstreik gegen Moreno in Ecuador
Treibstofferhöhungen treiben die Bevölkerung auf die Straßen
Quito. Die sozialen Unruhen in Ecuador spitzen sich immer weiter zu. Demonstranten gelang es am Dienstag, das Parlament in der Hauptstadt Quito zu stürmen. Sie drangen bis in den Plenarsaal vor, wurden dann aber von Polizisten und Soldaten zurückgedrängt, wie Fernsehbilder zeigten. Ecuadors Präsident Lenín Moreno verhängte daraufhin eine nächtliche Ausgangssperre in der Nähe von wichtigen öffentlichen Gebäuden.
Die seit Tagen anhaltenden Massenproteste in dem lateinamerikanischen Land richten sich gegen gestiegene Treibstoffpreise. Wegen der sozialen Unruhen verhängte Moreno vergangene Woche für 60 Tage den Ausnahmezustand. Bei den Protesten gab es nach offiziellen Angaben bislang einen Toten, mehr als 70 Verletzte und rund 570 Festnahmen.
Zuletzt zogen tausende Bauern und Ureinwohner nach Quito, um sich an den Protesten zu beteiligen. Für Mittwoch war eine Großkundgebung und ein Generalstreik geplant.
Mit einem Generalstreik und einer Großdemonstration gingen in Ecuador die Proteste gegen steigende Kraftstoffpreise am Mittwoch in die nächste Phase. Präsident Lenín Moreno ist schon aus Quito geflüchtet.
Dienstagabend waberten immer noch Tränengasschwaden über den Parque Arbolito im Zentrum Quitos. »Die Polizei ist massiv gegen die dort lagernden indigenen Gruppen vorgegangen, aber es hat überall im Zentrum Quitos Scharmützel zwischen Polizei und Demonstrierenden gegeben – mit vielen Verletzten und vielen Festnahmen«, so Carlos Mazabanda. Der Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation Amazon Watch lebt in Quito und hat gute Kontakte zu den indigenen Organisationen, die derzeit an der Spitze der Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung stehen.
Indigene Gruppen haben in einem vierseitigen Schreiben die Rücknahme der Benzinpreiserhöhungen durch den Präsidenten Lenín Moreno verlangt. Sie haben die Regierungspolitik auch grundsätzlich kritisiert, weil sie ihre Grundrechte verletzen würde. Darunter beispielsweise die Vergabe von Bergbaukonzessionen ohne vorherige Konsultation der indigenen Völker, wie es gesetzlich eigentlich vorgeschrieben ist.
Es sind auch indigene Gruppen, die zur »permanenten Mobilisierung« aufgerufen haben. Tausende haben sich in den vergangenen Tagen auf den Weg in die Hauptstadt Quito gemacht. Von mindestens 20 000 indigenen Demonstranten geht der Dachverband der indigenen Organisationen CONAIE aus, doch es könnten auch deutlich über 30 000 sein, meint der Menschenrechtsanwalt Mario Melo, der seinen Arbeitsplatz im Zentrum Quitos an der Päpstlichen Katholischen Universität (PUCE) hat. Dort ging die Polizei gegen die Demonstranten am Dienstag vor, während Einheiten der Armee erfolglos versuchten, den Zustrom aus anderen Landesteilen in die Hauptstadt zu verhindern. Dabei gelang es Demonstranten, das Parlament zu stürmen. Sie drangen bis in den Plenarsaal vor, wurden dann aber von Polizisten und Soldaten zurückgedrängt, wie Fernsehbilder zeigten.
Ecuadors Präsident Lenín Moreno verhängte nach den Protesten am Dienstag aus seinem inländischen Exil in der Küstenstadt Guayaquil eine nächtliche Ausgangssperre in der Nähe von wichtigen öffentlichen Gebäuden. Er hatte angesichts der gewaltsamen Auseinandersetzungen am Montag den Sitz der Regierung von Quito nach Guayaquil verlegt. »Ein Zeichen der Schwäche und zugleich die Absage an den direkten Dialog mit der Protestbewegung, der sich Studenten, Transportunternehmen, aber auch Gewerkschaften angeschlossen haben«, kritisiert Anwalt Mario Melo. Er sieht die Regierung von Lenín Moreno bereits wanken, auch wenn die indigenen Organisationen, die an der Spitze der Proteste stehen, bisher nicht mehr fordern als die Rücknahme der Benzinpreiserhöhungen.
Moreno hat mehrfach betont, dass er die Streichung der Subventionen nicht zurücknehmen werde. Allerdings kündigte er einen »Dialog« mit den Ureinwohnern über die Finanzmittel für Gemeinden an, die von den höheren Treibstoffpreisen besonders betroffen sind. Innenministerin María Paula Romo sagte, die Vereinten Nationen und die katholische Kirche hätten sich als Vermittler angeboten. »Wer von wenig mehr als von einem US-Dollar pro Tag leben muss, denn treffen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr von zehn und mehr Cent pro Strecke hart«, so Carlos Mazabanda. Doch die Streichung der Treibstoffsubventionen, die den Regierungsetat um 1,3 Milliarden USDollar entlasten sollen, sind nur der Auslöser für die massiven Proteste, die landesweit seit vergangene Woche stattfinden. Neben der Parlamentserstürmung wurden drei Erdölförderanlagen im Süden des Landes beschädigt und in Brand gesetzt, aber auch Hunderte von Demonstranten verletzt und viele festgenommen. Auch von einem Toten ist inzwischen die Rede.
Die Regierung setzt auf Härte, hat vergangene Woche für 60 Tage den Ausnahmezustand verhängt und um öffentliche Gebäude eine Bannmeile festgeschrieben. Ob das dazu führt, dass die Sicherheitsorgane die Situation wieder unter Kontrolle bekommen, ist unwahrscheinlich. Zum einen, weil mit dem Generalstreik am Mittwoch ein neuer Höhepunkt anstand, dem sich viele Gruppen angeschlossen haben. Zum anderen, weil Präsident Lenín Moreno laut Mario Melo sehr konfus agiert. »Er hat behauptet, dass die indigenen Organisationen von Rafael Correa aufgehetzt worden seien. Das ist absurd, denn unter Correa wäre es fast zur Spaltung der indigenen Bewegung gekommen«, so der Anwalt. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass die ökonomische Kehrtwende, die Lenín Moreno in den vergangenen Monaten vollzogen hat, ihm nun auf die Füße fällt. Als Sozialpolitiker hat er sich im Wahlkampf 2017 verkauft, sich seitdem jedoch mit dem Internationalen Währungsfonds auf eine neoliberale Reformstrategie verständigt und sich immer weiter der politischen Rechten angenähert. Die hat in Guayaquil ihren Sitz und es ist sicherlich kein Zufall, dass Lenín Moreno dorthin mit seiner Regierung abgewandert ist.
Mit einem Generalstreik im ganzen Land und einer Großkundgebung in der Hauptstadt Quito wollen Demonstranten in Ecuador unter indigener Führung die Rücknahme der Preiserhöhungen für Treibstoffe erzwingen.
»Wer von wenig mehr als von einem US-Dollar pro Tag leben muss, denn treffen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr von zehn und mehr Cent pro Strecke hart.« Carlos Mazabanda, NRO Amazon Watch