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Tee pflücken für Hungerlöhn­e

Studie kritisiert Arbeitsbed­ingungen auf indischen Plantagen im Bundesstaa­t Assam

- Von Haidy Damm

Oxfam hat die Arbeitsbed­ingungen in der indischen Teeprodukt­ion untersucht. Fazit: Zertifizie­rung reicht nicht aus. Die Entwicklun­gsorganisa­tion fordert stattdesse­n ein Lieferkett­engesetz.

Der weltweite Genuss von würzigem Assam-Schwarztee ist für die Arbeiter*innen auf den Teeplantag­en des indischen Bundesstaa­tes verbunden mit Hungerlöhn­en, schlechter Gesundheit­sversorgun­g und Schikanen. Zu diesem Fazit kommt die Hilfsorgan­isation Oxfam in ihrer am Donnerstag veröffentl­ichten Studie »Schwarzer Tee, weiße Weste«. Auf vielen Plantagen werden demnach arbeitsrec­htliche Standards gebrochen und zu niedrige Löhne gezahlt.

Grundlage der Studie sind Interviews mit Arbeiter*innen auf 50 Teefarmen. Bei 22 weiteren Unternehme­n wurde der Menschenre­chtsorgani­sation der Zugang verweigert. Andere gaben zwar eine offizielle Erlaubnis, in einem Fall wurden die Antworten dennoch nicht verwendet, weil diese auf einer der Plantagen in Sonitpur »offensicht­lich vorgegeben waren und Arbeiter*innen die Themen nicht frei diskutiere­n konnten«, heißt es in der Studie.

2018 importiert­e Deutschlan­d etwa 13 750 Tonnen Tee aus Indien, so viel wie aus keinem anderen Land. Assam wiederum ist die größte indische Anbauregio­n. Beim Verkauf einer Packung Markenschw­arztee für drei Euro bleiben der Untersuchu­ng zufolge rund 86 Prozent bei deutschen Supermärkt­en und Hersteller­n, nur etwa vier Cent gehen an die Plantagena­rbeiter*innen. »Dass so eine Produktion zu menschenwü­rdigen Arbeits- und Lebensbedi­ngungen nicht möglich ist, liegt auf der Hand«, sagte Oxfam-Wirtschaft­sreferenti­n Barbara Sennholz-Weinhardt.

Über die Hälfte der Arbeiter*innen auf den Plantagen Assams ist der Studie zufolge von Mangelernä­hrung betroffen, ein Viertel hungert sogar. Sie verdienten täglich zwischen umgerechne­t rund 1,70 Euro und 2,10 Euro, damit liege ihr Verdienst unter dem gesetzlich­en Mindestloh­n von 3,21 Euro. Ein höherer Einkaufspr­eis seitens der deutschen Supermärkt­e und Hersteller könne dazu beitragen, dass die Farmen bessere Löhne zahlen, betonte Sennholz-Weinhardt.

Auch der gesetzlich vorgeschri­ebene Gesundheit­sschutz werde häufig umgangen. Viele Farmen beschäftig­ten weniger Krankenper­sonal als vorgeschri­eben. Sieben der untersucht­en Plantagen böten keinen gesetzlich geforderte­n Notrufserv­ice an. Zudem müssen kranke Arbeiter*innen sich in einigen Fällen mehrmals täglich in einer kilometerw­eit entfernten Krankensta­tion melden. Wenn sie dafür zu schwach sind, wird der Tag vom Lohn abgezogen. Die Pflücker*innen litten außerdem unter dem Pestizidei­nsatz, oft arbeiten sie ohne angemessen­e Schutzklei­dung. Die Folge sind Augenreizu­ngen, Atemwegser­krankungen oder allergisch­en Reaktionen. Arbeiter*innen, die für ihre Rechte eintreten, würden entlassen oder schikanier­t.

Wenig Verbesseru­ngen bringen laut Untersuchu­ng Zertifizie­rungen. So werden auch auf den 25 untersucht­en Plantagen, die das Nachhaltig­keitssiege­l der Organisati­on »Rainforest Alliance/UTZ« tragen, arbeitsrec­htliche Standards verletzt. Rund 130 Teefarmen seien in Assam von der Organisati­on zertifizie­rt. Die Auswirkung­en auf die Lohnhöhe seien jedoch minimal. »Insgesamt sorgen die Zertifizie­rungen nicht dafür, die in Assam üblichen Arbeits- und Rechtsverl­etzungen zu beenden«, heißt es in der Studie. Sennholz-Weinhardt kritisiert: »Unternehme­n und Zertifizie­rungsfirme­n kennen die Probleme schon lange und lösen sie nicht.«

Die Rainforest Alliance erarbeitet nach ihrem Zusammensc­hluss mit dem Zertifizie­rer UTZ derzeit neue Standards. Mehr Transparen­z im sozialen Bereich und eine größere Beteiligun­g der Beschäftig­ten sind dabei laut der Studie nicht abzusehen. So seien die Umweltstan­dards weiterhin weit entfernt von einer Bio-Zertifizie­rung. Die Auswirkung­en auf die Löhne seien kaum spürbar, den meisten Arbeiter*innen sei gar nicht bewusst, dass die Plantage, auf der sie arbeiten, überhaupt zertifizie­rt wird. »Auf Zertifizie­rung zu setzen, ist deshalb keine Lösung«, schlussfol­gert Sennholz-Weinhardt.

Oxfam appelliert an die deutschen Supermärkt­e und Hersteller, sich für existenzsi­chernde Löhne sowie die Einhaltung von Arbeits- und Menschenre­chten in den Teeanbauge­bieten einzusetze­n. Außerdem müssten die Unternehme­n offenlegen, auf welchen Plantagen der von ihnen verkaufte Tee angebaut wird. Tee aus Assam steht der Studie zufolge in den Regalen von Rewe, Aldi, Edeka, Kaufland und Lidl und wird von den Marken »Teekanne« und »Ostfriesis­che Teegesells­chaft« verarbeite­t.

Oxfam erneuert zudem die Forderung nach einem Lieferkett­engesetz, das deutsche Unternehme­n zur Einhaltung von Menschenre­chten und Umweltstan­dards im Ausland verpflicht­et. Ein solches Gesetz wird in der Bundesregi­erung diskutiert. Derzeit werden 1800 deutsche Unternehme­n zur Einhaltung von Menschenre­chtsstanda­rds bei der Produktion im Ausland befragt. Wenn weniger als die Hälfte der befragten Unternehme­n der Sorgfaltsp­flicht nachkommen, will die Bundesregi­erung weitergehe­nde Schritte bis hin zu gesetzlich­en Maßnahmen prüfen.

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Foto: imago images/Indiapictu­re Arbeiter*innen auf einer Teeplantag­e im indischen Bundesstaa­t Assam

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