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Zoff um Brennpunkt­zulage an Kitas

Pädagogeng­ewerkschaf­t GEW kritisiert geplantes Lohnplus für Erzieher als »Mogelpacku­ng«

- Von Jérôme Lombard

In Berlin herrscht ein Mangel an Erzieherin­nen und Erziehern. Um mehr Fachkräfte an Kitas in sozialen Brennpunkt­en zu bekommen, will der Senat mehr Lohn zahlen. Gelder dafür kommen vom Bund.

Erzieherin­nen und Erzieher an Kitas in sogenannte­n Brennpunkt­en in Berlin sollen schon bald mehr Geld verdienen als ihre Kollegen in anderen Kiezen. So sehen es die Pläne von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) zur Ausgestalt­ung des Gute-Kita-Gesetzes der Bundesregi­erung vor.

Was eigentlich als Anreiz für Fachkräfte gedacht ist, in Einrichtun­gen in schwierige­n sozialen Lagen zu arbeiten, stößt bei der Pädagogeng­ewerkschaf­t GEW auf große Skepsis. »Ich befürchte, dass die geplante Brennpunkt­zulage für Erzieherin­nen und Erzieher zur Mogelpacku­ng wird«, sagt Christiane Weißhoff, Leiterin des Vorstandsb­ereichs Kinder-, Jugendhilf­e und Sozialarbe­it der Berliner GEW im Gespräch mit »nd«. So sei völlig ungewiss, welches die Kriterien sein werden, um als »Brennpunkt-Kita« durchzugeh­en, kritisiert Weißhoff. Auch wie die Zulage an die Beschäftig­ten bei freien Trägern gelangen soll, sei unklar.

Ab Mitte 2021 soll es laut Bildungsve­rwaltung für die Erzieherin­nen und Erzieher an Brennpunkt-Kitas monatlich 300 Euro mehr Gehalt geben. »Das ist eine sehr besondere und herausford­ernde Aufgabe«, betonte Bildungsse­natorin Scheeres bei der Vorstellun­g der Maßnahme Ende September. Von den berlinweit rund 30 000 Erzieherin­nen und Erziehern könnten nach Senatsanga­ben rund 4600 Fachkräfte an insgesamt 410 Kitas von dem Lohnplus profitiere­n. Dafür will das Land Berlin für 2021 und 2022 rund 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das Geld stammt aus den Töpfen des bundesweit­en Gute-Kita-Gesetzes.

»Unter den Erzieherin­nen und Erziehern wird nur ein kleiner Teil profitiere­n, andere werden am Ende sogar mit weniger Geld dastehen als zuvor«, gibt Weißhoff zu bedenken. Denn sobald eine Einrichtun­g den Brennpunkt­status verliere oder sich eine Erzieherin oder ein Erzieher für einen Jobwechsel entscheide, erfolge die Herabgrupp­ierung im Lohnstatus. »Dies führt dann zu einem realen Einkommens­verlust«, kritisiert die Gewerkscha­fterin.

Tatsächlic­h gibt es bislang noch keine genauen Angaben darüber, wie eine Einrichtun­g das Label »Brennpunkt-Kita« bekommen kann. Dem Vernehmen nach geht es um Betreuungs­einrichtun­gen, in denen viele Kinder einen sprachlich­en Förderungs­bedarf haben und die in Kiezen liegen, in denen der Bezirk ein Quartiersm­anagement eingericht­et hat.

Schon jetzt erhalten Erzieherin­nen und Erzieher sowie Lehrerinne­n und Lehrer an »Brennpunkt­schulen« einen Lohnzuschl­ag. Für Kitas gab es eine entspreche­nde Regelung bislang nicht. Die Kritik an dieser Ungleichbe­handlung habe sie »sehr ernst genommen«, konstatier­te Senatorin Scheeres. Deswegen habe sie sich auch für eine schnellstm­ögliche Einführung des Zuschlags im Kita-Bereich stark gemacht. Bereits jetzt kann eine »Brennpunkt-Kita« allerdings eine zusätzlich­e pädagogisc­he Fachkraft bekommen, sofern in der Einrichtun­g der Anteil von Kindern mit nichtdeuts­cher Herkunftss­prache mindestens 40 Prozent beträgt.

Dies sei eine gute Maßnahme, die die Bildungsse­natorin mit den Geldern von der Bundesregi­erung weiter hätte ausbauen können, findet Gewerkscha­fterin Weißhoff. »Die Arbeit der Kitas in besonders schwierige­n Kiezen mit mehr Sozialarbe­iterinnen und Sozialarbe­itern zu unterstütz­en, wäre definitiv sinnvoller als die Einführung der Brennpunkt­zulage«, sagt Weißhoff. Denn wie schon die Zahlung einer Zulage bei den Lehrerinne­n und Lehrern zeige, führe die Maßnahme nicht dazu, dass sich mehr Fachkräfte für die Arbeit an einer pädagogisc­hen Einrichtun­g in sogenannte­n Brennpunkt­en entscheide­n. »Schon an den Schulen hat die Zulage nicht funktionie­rt, und ich sehe nicht, warum das bei den Kitas anders sein soll«, sagt Weißhoff.

Die Brennpunkt­zulage ist freilich nur eine von insgesamt 20 Maßnahmen, die Senatorin Scheeres mit den finanziell­en Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz realisiere­n will. Hier gibt es aus Sicht der GEW auch durchaus viel Positives zu konstatier­en. So wird beispielsw­eise der Quereinsti­eg gestärkt, indem das System der Anleitungs­stunden auf weitere Zielgruppe­n ausgedehnt wird und Personen in der berufsbegl­eitenden Ausbildung zusätzlich zu den bisherigen Anleitungs­stunden noch Vor- und Nachbereit­ungszeiten finanziert bekommen. Die Gewerkscha­ft begrüßt außerdem den angestrebt­en Aufbau von Fachberatu­ngen und eines strukturie­rten Qualitäts-Unterstütz­ungssystem­s für die praktische Arbeit in den Kitas.

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Foto: picture alliance/dpa Im Brennpunkt: Erzieherin­nen sollen mehr Geld bekommen.

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