Warnung vor Wilke-Wurst
Verdacht: Listerien in Produkten für Todesfälle verantwortlich – Staatsanwalt ermittelt
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit warnt Verbraucher vor Produkten der Wurstfabrik Wilke, in denen Listerien festgestellt wurden. Die Keime könnten für Todesfälle verantwortlich sein.
»Wilke-Wurst ... weil’s besser schmeckt!« Dem orangeroten Werbeschild, das mit diesem Spruch im hessischen Twistetal am Rande eines 25 000 Quadratmeter großen Betriebsgeländes zum Werksverkauf einlädt, folgt niemand mehr. Das Werk, etwa 50 Kilometer westlich von Kassel gelegen, ist geschlossen. Amtlich. Denn in Waren der Firma »Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren« haben Gutachter gefährliche Krankheitserreger gefunden – Listerien.
Nach bisherigen Erkenntnissen sind in Hessen zwei Menschen an jenen Keimen gestorben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,6 Prozent sind beide Todesfälle auf den Genuss von Pizza-Salami und Brühwurstaufschnitt aus dem Twistetaler Werk zurückzuführen, haben Experten des als Bundesbehörde tätigen Robert-KochInstituts festgestellt. Weitere 37 Menschen sollen in Hessen an den Erregern erkrankt sein. Womöglich sind Listerien des genetischen Typs, der in Wilke-Waren nachgewiesen wurde, auch für zwei Todesfälle in Niedersachsen verantwortlich. Allein dort sind rund 1000 Betriebe mit WilkeProdukten beliefert worden, so das Landesamt für Verbraucherschutz in Hannover.
Dass sich die Gefahr aus Twistetal aber nicht nur auf Hessen und Niedersachsen erstreckt, weiß das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (BVL). Es warnt Verbraucher in ganz Deutschland vor allen Erzeugnissen der Firma Wilke, die in einem ovalen Emblem das Identitätskennzeichen »DE EV 203 EG« tragen. Nur diese Waren stünden im Verdacht, mit dem lebensbedrohenden Keimen belastet zu sein.
Nicht zuletzt auf Drängen der Verbraucherschutzorganisation »Foodwatch« hat das BVL in dieser Woche seine Warnung um eine 13 Seiten lange Liste mit annähernd 1200 Wilke-Produkten veröffentlicht, auf denen jenes Kennzeichen zu sehen ist, keinesfalls aber immer der Name »Wilke«. Denn die Firma hat nicht nur ihre Eigenmarke vertrieben, sondern laut Bundesamt 13 Abnehmer beliefert, die den jeweiligen Erzeugnissen individuelle Bezeichnungen gaben. Doch auch an diesen Waren weist das Identitätskennzeichen auf die Herstellung in in Twistetal hin.
Die vielen womöglich belasteten Produkte, von der Mettwurst über Gulaschsuppe und vegetarischem Aufschnitt bis zur gebratenen Frikadelle, sind mittlerweile aus dem Groß- und Einzelhandel und auch von weiteren Abnehmern zurückgerufen worden. Sind Wilke-Waren doch auch an Kantinen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung geliefert worden. Die ausführlichen Hinweise des BVL sind im Internet unter www.lebensmittelwarnung.de zu finden.
Das Amt nennt dort auch die Anzeichen einer Erkrankung durch Listerien: Sie äußert sich meist innerhalb von 14 Tagen nach Infektion mit Durchfall und Fieber. Insbesondere Schwangere, Senioren und Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem können auch schwerere Krankheitsverläufe mit Blutvergiftung und Hirnhautentzündung entwickeln. Bei Schwangeren kann, sogar ohne Symptome, das ungeborene Kind geschädigt werden, so das BVL. Es empfiehlt: Personen, die betroffene Produkte verzehrt haben und schwere oder anhaltende Symptome entwickeln, sollten einen Arzt aufsuchen und ihn auf eine mögliche Listerieninfektion hinweisen. Schwangere sollten dies auch dann tun, wenn sie keine der genannten Symptome verspüren, aber verdächtige Erzeugnisse zu sich genommen haben.
Der Listerien-Skandal bei Wilke dürfte der Auslöser dafür sein, dass die Firma mittlerweile Insolvenz angemeldet hat. Gut 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von der Pleite betroffen. Schon für September habe die Wilke-Belegschaft keinen Lohn bekommen, heißt es aus ihren Reihen. Ehemalige Beschäftigte berichten jetzt von schlimmen hygienischen Zuständen im Unternehmen; die Rede ist von von Schimmel an Würsten und Mäusekot im Werk. Gegen dessen Chef hat die Staatsanwaltschaft Kassel am Dienstag ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es bestehe ein Anfangsverdachts auf fahrlässige Tötung, so die Strafverfolger. Darüber hinaus werde dem Geschäftsführer fahrlässige Körperverletzung und ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht vorgeworfen.
Vorwürfe sind auch von Verbraucherschützern zu hören. Zu spät sei von den Behörden vor den gefährlichen Produkten gewarnt worden. Schon am 12. August habe das hessische Umweltministerium vom Listerienverdacht erfahren, gibt »Foodwatch« zu bedenken. Am 2. Oktober sei dann über die Rückrufaktion informiert worden, aber erst fünf Tage später wurden die Produktlisten veröffentlicht. Und die Verbraucherzentralen monieren: Nach wie vor fehlen Angaben zu den Verkaufsstellen, an denen Wilke-Erzeugnisse zu haben waren. Das aber sei für Verbraucher besonders wichtig, da die Produkte auch als lose Ware an Frischetheken abgegeben oder von Caterern und Kantinen eingesetzt wurden.
Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) konstatiert: »Im Fall Wilke Wurstwaren stellen sich derzeit noch viele Fragen, die beantwortet werden müssen, um Wiederholungen zu vermeiden.« Die Sache werde analysiert und »die erforderlichen Konsequenzen« gezogen, verspricht die Ressortchefin.