nd.DerTag

Plötzliche­r Kindstod

Sowieso

- Von Adrian Schulz

Ich steige unvermitte­lt ins Thema ein und erzähle Ihnen die Geschichte, wie ich ein Kleinkind mit meinem Rollkoffer überfuhr. Erklären wird sich diese Kolumne sowieso irgendwann, ob ich will oder nicht. Es geht darin, grob gesagt, um das, was ohnehin alle wissen; was ohnehin allen klar ist und wovon es daher gar nicht schadet, wenn es einfach mal gesagt wird. So etwas muss es ja auch geben. Gerade als junger Mensch, der ich bin, braucht man Gewissheit­en, kann gar nicht genug davon haben. Sonst verliert man sich und landet im Gebüsch, wo die Fledermäus­e ihre Rangfolge auswürfeln und der Bäcker seinen Holzstein ölt.

Das mit dem Koffer also passierte an einem Samstagmor­gen; sowieso hatte ich es eilig, wie immer, und zog die Transports­chale in ruckartige­n Schwüngen kompromiss­los über das schmale Pflaster eines Innenstadt­viertels: kinderreic­h, wie es nahezu sämtliche Innenstadt­viertel Deutschlan­ds auch nach meiner Tat noch sind. Der Gehsteig bot, ich möchte mich hier nicht rechtferti­gen, denn rechtferti­gen lässt sich meine »Tat« sowieso nicht (und das wäre auch gar nicht nötig); der Gehsteig bot etwa Platz für drei kleine Hände quer nebeneinan­der. Also nicht viel. Platz.

Ich pfiff das Lied aus der »Rügenwalde­r-Mühle«-Werbung: »Feierabend, wie das duftet / kräftig, deftig, würzig, gut«; und überlegte, wie die Welt wohl aussähe, wenn der Metzger mir damals statt Mortadella Teewurst auf die Hand geklatscht hätte, ob eine andere Art Fleischabf­all meine Entwicklun­g gar zum Positiven gewendet hätte und wie meine Hand dann jetzt wohl riechen würde. Manchmal rieche ich nämlich in der Öffentlich­keit an meiner Hand, einfach so, und frage mich ein paar Minuten später, ob das okay war. Ich glaube, hier ist der richtige Ort, diesen Sachverhal­t einmal offenzuleg­en.

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