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»Übernehmt die Kontrolle!«

Zoff zwischen Frankreich­s Rugbyteam und dem Trainer

- Von Pirmin Closse, Yokohama SID/nd

Die Forderung, die Frankreich­s Rugby-Nationalte­am am Mittwoch aus der Heimat erreichte, war unmissvers­tändlich. »Schmeißt eure Trainer raus, übernehmt selbst die Kontrolle!«, sagte Mourad Boudjellal – Präsident beim einflussre­ichen Spitzenklu­b aus Toulon, dem viele der Nationalsp­ieler angehören. Um die Mission bei der Weltmeiste­rschaft in Japan nicht zu gefährden, so glaubt nicht nur er, sollten »Les Bleus« ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.

Denn beim französisc­hen Team rumort es vor dem Gruppenfin­ale am Sonnabend gegen England gewaltig. Die bisherigen Auftritte waren trotz dreier Siege in drei Spielen gegen Argentinie­n, Tonga und die USA und des damit gesicherte­n Viertelfin­aleinzugs mehr als mäßig. Dass Trainer Jacques Brunel sich daraufhin mit Kapitän Guilhem Guirado überwarf und den 33-Jährigen absetzen will, brachte dann offenbar das Fass zum Überlaufen.

Zuletzt jedenfalls traten die Differenze­n zwischen der Mannschaft und dem nach dem Turnier scheidende­n Nationaltr­ainer offen zu Tage, mehrere Spieler stellten sich öffentlich hinter ihren Teamleader. Gael Fickou beispielsw­eise, der feststellt­e: »Es gibt keine Diskussion, wer unser Kapitän ist. Guilhem Guirado ist unser Kapitän. Wir stehen alle hinter ihm.« Und Maxime Medard betonte: »Er ist unser Anführer. Egal, ob er auf dem Feld steht oder nicht.« Dazu kommen in der Rugbynatio­n Frankreich viele externe Stimmen – von Fans, Experten und Funktionär­en –, die den Konflikt zwischen Trainern und Team befeuern. Wie etwa Boudjellal, der mit beißender Ironie empfahl: »Japan ist ein schönes Land. Also: Lasst es euch gut gehen, liebe Trainer, und lasst eure Spieler ihre eigene Geschichte schreiben. Denn seit Jahren verstehe ich nicht, welchen Plan ihr für dieses Team habt.«

Die Situation erinnert in mancherlei Hinsicht an den Skandal bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2010 in Südafrika. Damals hatte die französisc­he Nationalma­nnschaft, angetriebe­n von einigen Rädelsführ­ern wie Franck Ribery und Nicolas Anelka, gegen Nationaltr­ainer Raymond Domenech rebelliert. Das »Fiasko von Knysna« – nach dem damaligen WMQuartier benannt – hielt die Grande Nation lange in Atem.

So weit ist es bei den französisc­hen Rugbyspiel­ern derzeit noch nicht, doch die Situation vor dem Duell um den Gruppensie­g gegen England ist mehr als angespannt. Den Erzrivalen bezeichnen die Franzosen selbst als »im Moment himmelweit überlegen« (Medard), und auch die möglichen Viertelfin­algegner Australien oder Wales scheinen enteilt. »Egal, gegen wen es geht, die sind beide besser als wir«, sagte Medard: »Wir müssen einfach das Nötige tun, um an unserem persönlich­en D-Day bereit zu sein.«

Ob dazu auch eine Rebellion gegen den Trainer gehört, wird mit Spannung erwartet. Retten könnte Brunel das Wetter. Wegen des nahenden Taifuns Hagibis droht der Partie gegen England nämlich eine Absage. Für Brunel könnte also ausgerechn­et der Sturm Ruhe inmitten des Wirbels bringen.

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Foto: imago images/Autissier Maxime Medard steht hinter dem Teamkapitä­n.

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