Geist der Wehrmacht lebt weiter
Aktive und frühere Soldaten der Bundeswehr pflegen ein NS-Denkmal auf Kreta
Deutsche Soldaten haben während des Zweiten Weltkriegs bestialische Verbrechen in Griechenland begangen. Noch immer versuchen Soldatenvereine hierzulande, das damalige Vorgehen zu verharmlosen.
Dieser Tage wird in verschiedenen Ländern an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert. Auch in Deutschland sind Veranstaltungen vorgesehen, so etwa im Bundestag. Hierzulande gibt es aber auch Gruppen, die versuchen, die Geschichte umzuschreiben und die Täter als Opfer darzustellen. Einige von ihnen organisieren Treffen am Pionierdenkmal im Dorf Floria auf der griechischen Insel Kreta. Es handelt sich um eine Gruppe ehemaliger Soldaten der Bundeswehr, die für den Bund Deutscher Pioniere e.V. Kränze am Denkmal niederlegen. Im Mai 2016 erinnerten sie an den 75. Jahrestag der »Eroberung« Kretas im Zweiten Weltkrieg, wie es auf der Website der Pioniere heißt.
Das Denkmal zeigt Wehrmachtssoldaten, die mit Handgranaten angreifen. Es trägt die Inschrift »Gefallen für Großdeutschland«. Für den Generalmajor a.D. Rainer Jung ist dies kein Problem. Er hielt vor der Kranzniederlegung eine Rede. Die 14 Gebirgspioniere und 25 Fallschirmjäger, für die das Denkmal errichtet wurde, seien »bei ihrer Aufklärung in den Süden der Insel ums Leben« gekommen, so Jung. Sie wurden bis auf einen durch kretische Freiheitskämpfer in einem Hinterhalt getötet. Für den Generalmajor handelte es sich dabei um einen »heimtückischen Überfall« auf »Kameraden«.
Die Wehrmacht nahm dies zum Anlass, um den Ort Kandanos am 3. Juni 1941 vollständig zu zerstören und Einwohner zu ermorden. Immerhin erinnerte Jung auch daran. Für ihn sind die »soldatischen Tugenden« der Wehrmacht ebenso missbraucht worden wie der »Freiheitswille der kretischen Bevölkerung durch die englische Aufwiegelung«. Die griechischen Partisanen bezeichnete Jung als »Freischärler, deren Handlungen nicht im Geringsten durch das Kriegsvölkerrecht gedeckt waren«.
Dagegen erwähnte Jung nicht einmal das Wort »Kriegsverbrechen« für das Vorgehen der Deutschen in Griechenland. Dabei starben nach Einschätzung von Historikern infolge der Besatzung von April 1941 bis September 1944 etwa 300 000 Griechen.
Wehrmacht und SS verübten zahlreiche Massaker. Unter ihren Opfern waren auch Frauen und Kinder. Griechische Juden wurden in Vernichtungslager deportiert.
Der bizarre Erinnerungskult von früheren Bundeswehrsoldaten weckte das Interesse von Linksfraktionsvize André Hahn. Er nutzte am Mittwoch vergangener Woche die Fragestunde des Bundestags, um sich beim Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Silberhorn (CSU), zu erkundigen. Dabei kam heraus, dass das NS-Denkmal auf Kreta, das nach fast vollständigem Verfall 1990 wiederhergestellt worden ist, nach Kenntnis der
Bundesregierung letztmalig im Jahr 2005 mit Genehmigung der Bundeswehr durch Reservisten der deutschen Armee gepflegt wurde. Ansonsten kümmern sich ehemalige Soldaten um die Pflege. Allerdings wurde auch das Denkmal für griechische Opfer, das sich gegenüber befindet, in die Pflegearbeiten einbezogen.
Wenig später äußerte sich Hahn empört. Die Pflege des Wehrmachtsdenkmals sei »skandalös und verdeutlicht das mehr als fragwürdige Traditionsverständnis in Teilen der Streitkräfte«, teilte der LINKE-Politiker mit. Zudem sei es »unfassbar, dass offensichtlich Offiziere der Bundeswehr
an Gedenkveranstaltungen an diesem Denkmal teilnehmen, wie in Internetquellen recherchierbar ist«. Tatsächlich spricht Rainer Jung in seiner Rede auf Kreta zu Beginn laut Protokoll »Herrn General Bernhardt, Herrn Oberst Geilen und Herrn Oberst Quante« an. »Die Teilnahme steht im krassen Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen zum Traditionsverständnis der Bundeswehr«, kritisierte Hahn.
Ein unkritischer Umgang mit der Geschichte der Wehrmacht ist in diversen Vereinen von Bundeswehrsoldaten zu beobachten. Im April 2018 teilten Mitglieder des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V., in dem sich Aktive, Ehemalige, zivile Mitarbeiter und Freunde der Truppe organisieren, in tiefer Trauer mit, dass der langjährige Vorsitzende des Kameradenkreises Oberfranken gestorben ist. Es handelte sich um den Hauptmann a.D. Manfred Rehm. In Militärkreisen nannte man ihn auch »Kreta-Rehm«. Denn der Hauptmann a.D. hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das NS-Denkmal auf Kreta zu pflegen. In der Mitteilung des Kameradenkreises hieß es, dass Rehm sich um die »bis in die jüngste Vergangenheit nicht gerade einfachen deutsch-griechischen Beziehungen verdient gemacht« habe.
Diese Aussage ist sehr zweifelhaft, selbst wenn Rehm bei der dörflichen Bevölkerung von Floria »ebenso bekannt wie beliebt« gewesen sei, wie der Kameradenkreis behauptet. Denn die Parteien, welche die Mehrheit der griechischen Bevölkerung vertreten, finden den heutigen deutschen Umgang mit den NS-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg inakzeptabel. Die griechische Regierung hatte im vergangenen Jahr Reparationen von der Bundesregierung gefordert.
Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe gehört übrigens ebenso wie der Bund Deutscher Pioniere, dessen Mitglieder das Gedenken auf Kreta organisieren, zu den begünstigten Vereinigungen der Bundeswehr. Der Bund ist ein freier Zusammenschluss von aktiven und ehemaligen Pionieren, Pionierkameradschaften, Pioniervereinigungen und Traditionsverbänden in Deutschland.
Es gibt schon lange Belege dafür, dass der Pionierbund sein Bekenntnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht sonderlich ernst nimmt. Im April 2009 war der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung aus dem Bund der Pioniere ausgetreten. Der CSU-Politiker erklärte, dass er zum Zeitpunkt seiner Aufnahme als Ehrenmitglied keine Kenntnis von der Mitgliedschaft früherer SS-Mitglieder in der Organisation hatte.
Es gibt schon lange Belege dafür, dass der Pionierbund sein Bekenntnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht sonderlich ernst nimmt.