Geld für Zivilgesellschaft
Fatma Kar vom Netzwerk Polylux über Hilfe für Initiativen im Osten.
Die Initiative Polylux hat kürzlich 100 000 Euro an Spenden erhalten. Viele wollten mit ihrer Unterstützung offenbar die AfD schwächen. Was war Ihre erste Reaktion? Natürlich freuen wir uns einerseits über das Geld. Andererseits haben wir die Spenden zu einer Zeit erhalten, als in Hanau ein Rechtsterrorist neun Menschen ermordete. Das trübt die Stimmung. Wir haben aber zumindest jetzt die Möglichkeit, genau solche Projekte zu fördern, die die Zivilgesellschaft stärken. Wir wollen antifaschistische Arbeit, migrantische Selbstorganisation und unabhängige Jugendarbeit unterstützen.
Inwiefern ist das ein Schutz gegen rechte Angriffe?
Es ist wichtig, dass öffentliche Räume zur Verfügung stehen, in denen Themen neu besetzt werden können, in denen es auch ein Gegenprogramm zu einem rechten Mainstream gibt. Es braucht Orte, wo man sich über Antisemitismus, Sexismus und Rassismus austauschen kann, wo für alle Platz ist, wo Jugendliche ihre eigene Stimme erfahren können. Emanzipatorische Projekte werden in der Realität jedoch eher kriminalisiert als gefördert. Menschen vor Ort haben oftmals Angst, sich bei solchen Auseinandersetzungen zu positionieren und öffentliche Funktionsträger wie Lehrer halten sich zurück, weil sie nicht gegen die politische »Neutralität« verstoßen wollen. Wir wollen dem Versagen des Staates nicht länger zuschauen. Der Handlungsbedarf ist groß.
Was genau wollen Sie fördern?
Wir unterstützen ganz unterschiedliche Projekte. Beispielsweise das »Schlossberg 1«, ein wichtiges soziokulturelles Zentrum im thüringischen Saalfeld. Kurz nach dem G20Gipfel in Hamburg wurde das Projekt vom Amt geschlossen. Plötzlich ging es um dringende Baumaßnahmen. Wir wollen das Zentrum nun gemeinsam wieder aufbauen. Ebenfalls sehr wichtig ist das Alternative Kultur- und Bildungszentrum, kurz AkuBiZ, im sächsischen Pirna. Seit es aus Protest gegen die »Extremismusklausel« einen Demokratiepreis abgelehnt hatte, erhält es keine öffentlichen Gelder mehr. Das ist tragisch, da hier unter anderem essenzielle historische Aufarbeitung und demokratische Bildungsarbeit geleistet wird.
Die von Polylux geförderten Projekte liegen alle in Ostdeutschland. Warum dieser Fokus?
Weil in Ostdeutschland die AfD sowohl in den Kommunen wie auch den
Landtagen am stärksten ist. Sie kann großen Druck ausüben, um zivilgesellschaftlichen Projekten zu schaden und diese zu diffamieren. Das konnten wir beispielsweise beim »Treibhaus« im sächsischen Döbeln sehen. Hier versuchte die AfD, dem Projekt die Legitimation und damit auch die Gelder zu entziehen, indem sie auf die »Extremismusklausel« pochte. Zudem ist im Osten auch das Stadt-Land-Gefälle noch mal größer als im Westen, die öffentliche Infrastruktur ist im ländlichen Raum viel schlechter. Aber all das heißt nicht, dass Polylux für immer nur im Osten bleiben wird.
Was sind Ihre Bedingungen für eine Förderung?
Bedingungen stellen wir nicht, aber wir fördern zum Beispiel explizit keine studentischen Projekte, weil diese über die Universitäten bereits oft ganz gut an Finanztöpfe angebunden sind. Wir wollen kleine, lokale Initiativen unterstützen. Wir denken, dass die Menschen vor Ort am besten wissen, was sie brauchen. Wir wollen nicht als arrogante Großstädter vorgeben, wie es zu laufen hat. Es geht uns um eine unkomplizierte strukturelle Unterstützung und nicht um Bevormundung. Dafür versuchen wir, mit den Projekten auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Wollen Sie Menschen davon abhalten, die ländlichen Regionen zu verlassen?
Wir haben natürlich nicht vor, irgendjemand davon abzuhalten wegzuziehen. Das ist eine persönliche Entscheidung.
Unser Projekt unterstützt aber eben die Menschen, die geblieben sind. Jugendliche brauchen Angebote in ihren Gemeinden, solange sie da sind. Die wollen wir bereitstellen. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Menschen sich woanders verwirklichen wollen. Es ist aber eben auch unterstützenswert, wenn sie die Möglichkeit hätten, vor Ort zu bleiben, weil es da gar nicht mehr so schrecklich ist. Ihr Kämpfe in den Dörfern sind schließlich auch die unseren.
Wie ist das Projekt entstanden? Wir hatten uns als kleine Gruppe im Sommer 2018 zusammengefunden. Mittlerweile sind wir acht Personen, dazu unterstützen uns bei bestimmten Fragen noch Menschen aus der soziokulturellen Jugend- und Beratungsarbeit. Fast alle haben eine Ostgeschichte und sind irgendwann in die größeren Städte weggezogen. Uns wurde aber zuletzt immer klarer, dass wir uns nicht länger von unserer eigenen Geschichte abkapseln können.