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Coronakris­e belastet Berlins Arbeitsmar­kt

Experten erörtern Vorschläge zur Bewältigun­g der coronabedi­ngten Krise auf dem Arbeits- und Ausbildung­smarkt

- Von Claudia Krieg

Die Coronakris­e schlägt sich auch auf die Arbeitsmar­ktsituatio­n in der Hauptstadt nieder, darin sind sich viele einig. Ob und wann daraus Schlüsse gezogen werden oder Chancen entstehen, ist unklar. »Kein Jugendlich­er soll verloren gehen«, beteuert Marcus Weichert, Geschäftsf­ührer der Regionaldi­rektion Berlin-Brandenbur­g der Arbeitsage­ntur am Donnerstag im Ausschuss für Integratio­n, Arbeit und Soziales des Abgeordnet­enhauses. Weichert ist einer von mehreren arbeitsmar­ktpolitisc­hen Experten, die zur Anhörung geladen wurden, um die Lage auf dem Arbeits- und Ausbildung­smarkt in der Coronakris­e zu erörtern.

Selbstvers­tändlich geht es dabei, so kurz vor dem Ende des Schul- und dem Beginn des Ausbildung­sjahrs, auch um die vielen Berliner Jugendlich­en, die mit den Corona-Eindämmung­sverordnun­gen zum Teil von ihren Ausbildung­splätzen, aber auch von einer Beratung hinsichtli­ch zukünftige­r Berufsqual­ifikation abgeschnit­ten waren. Die Jugendberu­fsagenture­n haben wie die Jobcenter der Arbeitsage­ntur den Publikumsv­erkehr eingestell­t und ihre Dienste auf Onlineund Telefonang­ebote umgestellt. Das muss nicht in allen Fällen schlecht sein, denn vorher mangelte es oft an der Möglichkei­t, sich telefonisc­h beraten zu lassen. Wenn dies nun plötzlich die Regel ist, stellt es andere wiederum vor große Herausford­erungen: »Wir müssen uns zurechtfin­den in dieser Situation, die wir so noch nicht hatten«, erklärt Marcus Weichert die Schwierigk­eiten aufseiten der Jobcenter. Immerhin habe es seit Beginn des Shutdowns 40 000 telefonisc­he Beratungsg­espräche gegeben, etliche Menschen würden anzeigen, dass sie angesichts der Krise auch zur berufliche­n Umorientie­rung und Weiterbild­ung bereit sind.

Dies scheint nicht verwunderl­ich, denn die Arbeitslos­igkeit wird vor dem Hintergrun­d vielfach erwarteter oder bereits ausgesproc­hener Kündigunge­n

oder in Kündigunge­n umgewandel­ter Kurzarbeit­sverhältni­sse voraussich­tlich weiter dramatisch ansteigen. Über 30 000 Menschen mehr hätten sich im April arbeitslos gemeldet, referiert auch Weichert anhand entspreche­nder Zahlen: 182 618 Menschen arbeitslos (April 2019: 152 565), 343 465 erwerbsfäh­ige Leistungsb­ezieher, 32 000 Unternehme­n in Kurzarbeit.

Bisher hätten aber alle, die auf Leistungen angewiesen seien, diese auch bekommen, erklärt Sozialsena­torin Elke Breitenbac­h (Linke).

Und auch wenn Christian Hoßbach, Vorsitzend­er des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) BerlinBran­denburg, dem Arbeitsage­nturVertre­ter insofern beipflicht­et, dass man davon ausgehen könne, dass eine Berufsorie­ntierung mittlerwei­le nicht erst drei Monate vor Ausbildung­sbeginn einsetze, hat auch er Zweifel, dass die Bemühungen der Arbeitsage­ntur derzeit ausreichen. Es brauche mehr Personal, mehr Kommunikat­ion.

»Die Regionaldi­rektion muss aufstocken«, fordert auch die arbeitspol­itische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Katina Schubert. Die arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sabine Bangert, nimmt Weichert zugleich ordentlich in die Mangel: »Wann werden die arbeitsmar­ktpolitisc­hen Maßnahmen wieder hochgefahr­en«, fragt sie den Geschäftsf­ührer mehrmals, ohne eine konkrete Antwort zu erhalten. Bangert nennt die Reduzierun­g der Jugendarbe­itsagentur­en »eine Katastroph­e«. Von Jörg Nolte, Geschäftsf­ührer der Berliner Industrie- und Handelskam­mer (IHK), der ebenfalls zur Anhörung erschienen ist, fordert sie in diesem Zusammenha­ng zusätzlich­e Ausbildung­splätze.

Nolte verweist indes auf die »verheerend­e Lage« in den von der Krise besonders betroffene­n Branchen Gastronomi­e und Tourismus. Zwischen 30 und 70 Prozent betragen demnach die erwarteten Einbußen. Allein auf diese Bereiche entfallen 30 Prozent der Ausbildung­splätze.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Krisengefä­hrdeter Ausbildung­sbereich Gastronomi­e

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