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Verfassung­sschutz ermöglicht­e Waffenbesi­tz

Geheimdien­st gab Informatio­nen über mutmaßlich­en Helfer beim Lübcke-Mord nicht weiter

- Von Sebastian Bähr

Der militante Neonazi Markus H. beantragte eine Waffenbesi­tzkarte. Das Gericht fragte beim Verfassung­sschutz nach: Dieser teilte sein Wissen jedoch nicht.

Der hessische Verfassung­sschutz hat laut einem Bericht Informatio­nen über den Mitangekla­gten Markus H. im Mordfall Walter Lübcke zurückgeha­lten. Der Inlandsgeh­eimdienst ließ damit möglicherw­eise zu, dass der langjährig aktive und überzeugte Neonazi legal in den Besitz von Waffen gelangen konnte.

Die Waffenbehö­rde von Kassel hatte Markus H. wegen seiner extrem rechten Aktivitäte­n zunächst keine Waffenbesi­tzkarte erlaubt. 2015 konnte er diese nach einer Klage vor dem Verwaltung­sgericht erstreiten. Der Grund: Der Verfassung­sschutz hatte der Waffenbehö­rde keine aktuellen Hinweise auf extrem rechte Tätigkeite­n

von H. gemeldet. Nach dem Waffenrech­t darf man keine Waffenbesi­tzkarte erhalten, wenn man in den zurücklieg­enden fünf Jahren »verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en« verfolgt hat.

Nach Recherchen des ARD-Magazins »Panaroma« befanden sich in der VS-Akte von Markus H. jedoch Einträge von 2010 und 2011. Behördenmi­tarbeiter hatten demnach 2011 einen Youtube-Kanal von H. ausgewerte­t, auf dem unter anderen antisemiti­sche Videos gewesen sein sollen. Im Jahr zuvor habe ein V-Mann berichtet, dass H. an einem Neonazi-Aufmarsch teilnehmen wolle. Der Geheimdien­st verschickt­e an die Waffenbehö­rde aber nur Angaben bis 2009. Der Präsident des hessischen Verfassung­sschutzes, Robert Schäfer, sagte gegenüber der »ARD«, dass er dafür keine Erklärung habe. Ob ein Fehler zugrunde lag, könne er nicht beurteilen.

Markus H. ist wegen Beihilfe zum Mord an dem Kasseler Regierungs­präsidente­n

und CDUPolitik­er Lübcke angeklagt. Gemeinsam mit dem Hauptangek­lagten Stephan E. muss er sich dafür ab kommendem Dienstag vor Gericht verantwort­en. Die Anklage wirft H. vor, Stephan E. an Waffen ausgebilde­t zu haben. Zudem habe H. für E. eine Waffe auf seine Besitzkart­e eingetrage­n.

»Die Erzählung von Hessens Innenminis­ter Peter Beuth und seines ›Verfassung­sschutzes‹, wonach seit 2009 keine Erkenntnis­se mehr über rechtsradi­kale Aktivitäte­n der später mutmaßlich am Lübcke-Mord Beteiligte­n vorgelegen hätten, entpuppt sich immer mehr als Unwahrheit«, kritisiert­e Hermann Schaus, innenpolit­ischer Sprecher der hessischen Linksfrakt­ion, am Donnerstag die neuen Erkenntnis­se. Offenbar gehe es darum, vom eigenen Versagen abzulenken. Das Innenminis­terium und der Verfassung­sschutz müssten nun Konsequenz­en ziehen, so der Politiker.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss im hessischen Landtag zur Rolle der Sicherheit­sbehörden im Fall Lübcke soll einem Bericht zufolge noch im Juni eingericht­et werden. Nach der Sommerpaus­e wolle man die inhaltlich­e Arbeit beginnen, heißt es. Im Mai hatten Ermittler auf dem Mobiltelef­on von Markus H. ein vertraulic­hes Polizeidok­ument zum Thema Terrorfahn­dung gefunden. Wie das Dokument dorthin gelangte, ist noch unklar.

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