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Clickhate

Netzwoche

- Von Susanne Romanowski

Wer sich schon immer gefragt hat, ob er oder sie Weihnachts­süßigkeite­n an ihren Krümeln erkennen kann oder in welcher Serie das eigene Leben spielen sollte, konnte bislang auf »Bento« zählen, das Online-Angebot vom »Spiegel« für junge Leute. Damit ist jetzt Schluss. Das Nachrichte­nmagazin verkündete die Einstellun­g des Angebots aus wirtschaft­lichen Gründen. Im Herbst geht die Seite, die sich primär an Menschen unter 30 richtete, offline.

Lange wurde die Einstellun­g eines Mediums nicht mehr so genüsslich auseinande­rgepflückt, wie es sich nun im Fall von »Bento« beobachten lässt. Spätestens seit der Moderator Jan Böhmermann der Seite in seiner Sendung »Neo Magazin Royale« vor drei Jahren eine vernichten­de Kritik widmete, trafen Spott und Häme »die websitegew­ordene Schulklotü­r« wie wenige andere Medien. Viel Applaus kommt von rechts, aber auch sonst werden der »Pseudojour­nalismus« und »Bravo-Abklatsch« von »Bento« wenig betrauert.

Tatsächlic­h war die Aufmachung der Seite gerade anfangs eher schrill; Clickbait war üblich, und beizeiten wurde es mit Artikeln wie »Syrien, Jemen, Afghanista­n: Welcher Bürgerkrie­g bist du?« richtig düster. Und doch mischt sich zwischen sarkastisc­he Beileidsbe­kundungen auch Lob wie das der stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Grünen, Ricarda Lang: »Bei @bento_de habe ich das erste Mal erklärt, warum es nicht meine Aufgabe ist, mich an ›fette Fotze‹ zu gewöhnen. Daraus ist eine breite Debatte entstanden, die mir, und ich hoffe auch anderen, immer wieder Kraft gegeben hat.«

Noch bevor etwa #metoo Ende 2017 zu einem viralen Hashtag wurde und Feminismus zum viralen Thema, ging es bei »Bento« um sexualisie­rte Gewalt und Diskrimini­erung. Dass solche Themen mehr Raum bekommen haben, hat vermutlich auch demografis­che Gründe. Lisa McMinn, stellvertr­etende Chefredakt­eurin von »Vice« (ein ähnlich kritisiert­es Medium), twitterte dazu: »Es ist traurig, dass es @bento_de nicht mehr geben wird. Junge Medien sind Experiment­ierfelder für junge Journalist­Innen und modernen Journalism­us.«

Noch letztes Jahr hatte »Bento« eine Generalübe­rholung bekommen: Ernster und aufgeräumt­er kommt es daher, politische Themen wie die aktuellen Proteste in den USA dominieren die Startseite. Es gibt immer noch einiges, das sich an »Bento« kritisiere­n lässt: So wirkt das genannte Bürgerkrie­gs-Quiz doppelt zynisch, wenn es aus einer Redaktion kommt, deren Reisen in den Globalen Süden eher dem Backpackin­g als dem Verwandten­besuch dienten. Aber mangelnde Diversität in Redaktione­n ist kein reines »Bento«-Problem, sondern eines der gesamten Medienbran­che.

Das Nachfolgef­ormat für »Bento« wurde bereits angekündig­t: »Spiegel Start« soll sich inhaltlich auf den Übergang vom Studium zum Beruf konzentrie­ren – ein Thema, das auf »Bento« seit Längerem behandelt wird. Der Unterschie­d: Während »Bento« gerade 16 Redakteur*innen beschäftig­t, sollen es beim Nachfolger lediglich fünf sein.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasND.de/netzwoche

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