Der Mann, der sich selbst spielte
An diesem Sonnabend wird der Schauspieler Gojko Mitić 80
Gojko ist ein Star! Und er war einer von uns. Von Karsten Krampitz
Im Umfeld der Linkspartei heißt es zur DDR schon lange nicht mehr: »Es war nicht alles schlecht!« Hinter vorgehaltener Hand sagen die meisten Genossen: »Es war nicht alles gut.« Eines aber auf jeden Fall: der DEFA-Western mit seinem Chefindianer Gojko Mitić.
Wobei dem Historiker auffällt, dass dieses Genre erst nach 1965 zur Blüte kam, das heißt nach dem 11. Plenum des ZK der SED. Die DDR-Indianerfilme haben das Schicksal der »Spur der Steine« nie teilen müssen. Die Kreativen des DDR-Films haben sich hier nach Herzenslust austoben können. Das merkt man den Filmen immer noch an.
Und damals haben die Roten noch gewonnen! Jedenfalls hin und wieder. Oft genug hat Gojko sein Leben gegeben für eine bessere Welt. Aufrechte Männer, die da im Sattel des Fortschritts durch Prärie und Wald ritten. Wir erinnern uns an Chingachgook, die große Schlange, an Osceola und Tecumseh, Ulzana, und nicht zu vergessen: Severino! Tapfer stellten sich diese Krieger dem vordrängenden US-Imperialismus in den Weg. Kein Zweifel: Gojko Mitić spielte dabei immer sich selbst. Ein Mann weniger Worte, denen immer Taten folgten. Und den Taten folgten wieder andere Indianer – denn gemeinsam sind wir stark.
Die wunderbaren Jahre waren das. Es gab uns und es gab die. Und Gojko Mitić war einer von uns, war »Harter Felsen« – während sein Blutsbruder »Harmonika« aka Dean Reed uns tierisch auf den Sack ging mit der ganzen FDJ-Folklore nach Drehschluss. Auf Festivals und Festspielen ging unter Künstlern regelmäßig der Schrecken um, wenn Dean Reed sich angekündigt hatte. Denn der rief mit Sicherheit ins Publikum: »Ich spende meine Gage!« Worauf dann alle anderen Künstler ebenfalls spenden mussten – für Angela Davis, für die Solidarität mit Vietnam oder für Nicaragua,
wo’s eben gerade brannte. Wenn du mehrmals im Jahr mit Dean Reed aufgetreten bist, hat sich das schon pekuniär bemerkbar gemacht.
Von Gojko Mitić aber sind solche Allüren nicht überliefert. Er musste nicht Gutes tun, er war gut. Vielleicht nicht unbedingt als Sänger. Auch Gojko hat, was viele nicht mehr wissen, gesungen: »Löscht das Feuer, die Sonne weckt die Pferde, / trinkt noch, trinkt, wir zieh’n durch trock’ne Erde…« Und er hat auch bei »Winnetou« mitgespielt, im Abspann steht »Georg Mitić«. Die »Winnetou«-Filme aber sind und bleiben ostdeutscher Kitsch; die Geschichten stammen allesamt von einem Sachsen, der seinen Fuß nie in ein echtes Wigwam gesetzt und sich nie wirklich an einem Apachen-Feuer gewärmt hat. Die DEFA-Westernfilme sind dagegen alle wahr.
Der Film »Die Söhne der großen Bärin« gehört zu meinem persönlichen Weltkulturerbe. Den werde ich nie vergessen. Er lief in allen Freilichtkinos, auf allen Zeltplätzen des Landes. Und während der Stamm der Oglala ums nackte Überleben kämpfte und Häuptling Tokei-ihto den feigen Mord an seinem Vater rächte, habe ich mein erstes Mädchen geküsst.
Also noch mal zum Mitschreiben: Gojko Mitić ist ein Star! Eines Tages, wenn die Menschheit untergegangen ist, wird er immer noch am Himmel leuchten. An der sächsischen Volkssternwarte Drebach wurde 2013 ein Asteroid nach ihm benannt, im mittleren Hauptgürtel, wo auch immer das sein soll.
Am Sonntag läuft um 10.15 Uhr auf MDR »Chingachgook, die große Schlange« und um 11.45 Uhr »Spur des Falken«. Um 14.50 Uhr zeigt der RBB »Die Söhne der großen Bärin«. Bis September gibt es in der ARD-Mediathek ein Porträt von Gojko Mitić unter: https://bit.ly/3cWnxLV