Onlinekurse gegen sexualisierte Gewalt
Olanike Timipa-Uge aus Abuja, Nigeria
Ich bin Gründerin der Organisation »Teenage Network«. Vor dem Corona-Ausbruch habe ich an drei öffentlichen Sekundarschulen Projekte zur Sexualerziehung für junge Frauen angeboten. In Nigeria weiß beinahe die Hälfte der Jugendlichen nicht, dass sie nicht minderjährig verheiratet werden dürfen, oder dass sie schon beim ersten ungeschützten Sex schwanger werden können. Es gibt daher viele Mädchen, die schon in der Oberstufe ein Baby bekommen und dann die Schule abbrechen müssen. Leider waren wir erst im zweiten Monat unseres Projekts, als die Schulen aufgrund von Covid-19 geschlossen wurden.
Kurz nach dem Lockdown habe ich zahlreiche Nachrichten von Mädchen erhalten, die berichteten, zu Hause sexuell belästigt und sogar missbraucht zu werden. In drei Bundesstaaten in Nigeria mussten wir Krisenteams und Hotlines einrichten, um die Opfer dieser Gewalt medizinisch und psychosozial zu betreuen. Wir kämpfen gegen enorme Einschränkungen, da unsere Arbeit nicht als systemrelevant gilt und die nigerianische Regierung geschlechtsspezifische Bedürfnisse nicht in ihre Krisenpolitik miteinbezieht.
Die Situation der Mädchen hat sich in der Pandemie dramatisch verschlechtert. Hygieneartikel und Verhütungsmittel sind Luxusgüter geworden, die sich kaum eine Frau leisten kann. Jeden Tag werden Mädchen gegen Geld und Lebensmittel zu Ehen gezwungen, sie werden vergewaltigt und ermordet.
Ich versuche die Mädchen jetzt über das Internet zu erreichen. Ich habe einen Online-Sensibilisierungskurs zum sexuellen Missbrauch entwickelt. Außerdem spreche ich im Radio über geschlechtsspezifische Gewalt. Als die Maßnahmen ein wenig gelockert wurden, bin ich in ländliche Regionen gereist, wo die Menschen nur selten Internet haben. Dort habe ich Binden, Seife und Medikamente verteilt und mit den Mädchen über ihre Gesundheit und ihre reproduktiven Rechte gesprochen.
Weil die Zustände so unerträglich geworden sind, haben wir mitten in der Pandemie einen großen friedlichen Protest organisiert. Ich merke schon, dass die nigerianische Gesellschaft jetzt offener über das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen spricht. Auch in der Nationalversammlung wurde das thematisiert und vor einigen Tagen hat die Regierung zum ersten Mal die Namen der verurteilten Sexualstraftäter veröffentlicht. Vielleicht erleben wir hier gerade den Anfang eines langfristigen politischen Kampfes gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Ich hoffe das sehr.
Diese Krise hat mir mehr denn je vor Augen geführt, wie sehr geschlechtsspezifische Gewalt die Mädchen in ihren Chancen beschränkt. In Zukunft will ich mich noch mehr engagieren, damit jede junge Frau sich frei und sicher genug fühlt, um ihre Träume zu verwirklichen. Wenn Corona mich nicht daran hindern konnte, diese Mädchen zu unterstützen, wird mich auch nichts anderes aufhalten.