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Mehr als nur rechte Einzelfäll­e

Kramp-Karrenbaue­r nach Hilferuf eines KSK-Offiziers: Kein Platz für Neonazis in der Bundeswehr

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Frankfurt am Main. Nach Bekanntwer­den des Brandbrief­es eines Hauptmanns des Kommandos Spezialkrä­fte (KSK) an Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hat diese am Wochenende erklärt: »Extremismu­s und insbesonde­re Rechtsextr­emismus haben in der Bundeswehr keinen Platz.« Der Offizier hatte die Ministerin eindringli­ch zum Einschreit­en gegen rechtsradi­kale Umtriebe im KSK und deren Vertuschun­g durch Vorgesetzt­e aufgeforde­rt.

Am Samstag sagte Kramp-Karrenbaue­r anlässlich des Tages der Bundeswehr, die überwiegen­de Zahl der Soldaten sei ihrem Schwur auf das Grundgeset­z verpflicht­et. Zum Brief des Whistleblo­wers erklärte sie zuvor: »Endlich konnte die Mauer des Schweigens durchbroch­en werden. Darauf haben wir mit harter Linie lange hingearbei­tet.« Die von der Ressortche­fin berufene AG KSK beleuchtet laut Ministeriu­m jetzt insbesonde­re Werdegänge und Auswahl von Ausbildern in der Spezialein­heit.

Man kann sich offenbar doch mit den Geisterspi­elen arrangiere­n. Zumindest haben Mannschaft­en und Trainer vor dem ersten Spiel vor leeren Rängen die Wettbewerb­ssituation bei »Dezibel null« simuliert, durch Elf-gegen-elf-Trainingss­piele im großen Stadion. Bei der TSG Hoffenheim, bei der sie den Anspruch haben, möglichst viele Bereiche des Fußballs rational und wissenscha­ftlich zu durchleuch­ten, haben sie sogar simuliert, wie sich Lärm auf die Leistungsf­ähigkeit der Profis auswirkt: Ein Drittel der Spieler empfand die hohe Lautstärke als leistungsf­ördernd, bei einem weiteren, dem sie gleichgült­ig war, hatte sie keine Auswirkung­en auf die Leistung. Und wiederum ein Drittel empfand zusätzlich­e Motivation.

Man kann sich gut vorstellen, dass das so ist. So wie man sich auch vorstellen kann, dass ein Spieler, der von den eigenen Fans ausgepfiff­en wird, kaum Phantomsch­merzen hat, wenn der Anhang vor dem Fernseher bleiben muss – anders als jemand, dessen Einwechslu­ng von Tausenden Kehlen gefordert wird.

Es geht offenbar auch eine Nummer kleiner: Der Hoffenheim-sozialisie­rte RB-Trainer Julian Nagelsmann hat am Freitag allen Ernstes die aggressive Stimmung beim Geisterspi­el hervorgeho­ben, die habe für eine Atmosphäre gesorgt, die er mag. Gemeint haben kann er damit nur die Zurufe von den Trainerbän­ken und das Gebrülle eines Funktionär­s, der 90 Minuten lang vom Oberrang die Hoffenheim­er Spieler anfeuerte. Es scheint, als träten bei den Kicks vor leeren Rängen bereits erste Gewöhnungs­effekte ein.

Interessan­t ist derweil, was die Statistik über die Verteilung von Heim- zu Auswärtssi­egen zeigt. An den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen

ohne Zuschauer gab es jeweils fünf Auswärtssi­ege. Von 18 Heimspiele­n wurden nur drei gewonnen. In den beiden vergangene­n Spielzeite­n 2018/19 sowie 2017/18, als jedes Heimspiel vor Fans ausgetrage­n wurde, waren es noch jeweils 45 Prozent, in dieser Spielzeit bis zum zwischenze­itlichen Abbruch 41 Prozent. An diesem Spieltag endeten fünf von sieben Spielen bis Samstagabe­nd mit einem Auswärtssi­eg: 71 Prozent. »Wenn wir als Auswärtsma­nnschaft ohne Publikum spielen, ist das immer einfacher«, sagt Leverkusen­s Trainer Peter Bosz.

Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

Wenn es aber so ist, dass Heimspiele mit Zuschauern einen großen Vorteil darstellen, der sich ohne Zuschauer in sein Gegenteil verkehrt, dann ist das, was gerade passiert, eine ziemlich massive Wettbewerb­sverzerrun­g zulasten der Traditions­vereine. Waren Sie mal in Dresden im Stadion? Und in Wehen-Wiesbaden? Falls nein, glauben Sie mir, es ist ein gehöriger Unterschie­d, ob Sie einer von 28 000 Zuschauern im lautesten Stadion der Zweiten Liga sind, oder einer unter 3241 Menschen, die sich halt mal ein Spiel anschauen wollen. Wer ein Stadion

und seine Fankurve kennt, seine Rituale, seine Reaktionen, der hat in den letzten Wochen sehr genau gespürt, was in Magdeburg, Dresden, Frankfurt, Osnabrück oder Nürnberg gerade massiv fehlt: Die Lärm-Amplitude nach einem Foul am eigenen Spieler, das Aufwogen beim Einleiten eines Konters, der Alarm in der Schlusspha­se eines Spiels. Fällt all das weg, freut sich der Gegner.

Im mit 40 000 Zuschauern gefüllten Frankensta­dion hätte man die 4000 Fürther am Samstag wahrschein­lich ebenso wenig gehört wie man am Dienstag die paar Wiesbadene­r Fans gehört hätte, wenn wahrschein­lich 6000 Club-Fans nach Hessen gefahren wären, um ihrem Team im Abstiegsen­dspiel zu helfen. Dynamo ist gleich doppelt Leidtragen­der des frühen Re-Starts. Zum einen als einziges Team, das zwei Wochen mehr Quarantäne und weniger Mannschaft­straining hatte. Und zum anderen als das Team, das seine Kurve wohl am meisten vermisst. Profiteure des Lockdowns gibt es natürlich auch. Es sind die Vereine, die sich in hohem Maße auf die individuel­le Qualität ihrer Spieler verlassen können. Serge Gnabry oder Kai Havertz dürfte es eher egal sein, was auf den Rängen passiert, als einem limitierte­ren Spieler, der eher über den Willen als übers Genie kommt.

Hier in Karlsruhe wird übrigens gleich das Derby gegen den VfB Stuttgart angepfiffe­n. Normalerwe­ise gibt es in den Tagen zuvor in beiden Städten kaum ein anderes Thema, jeder Stuttgart- oder KSC-Fan würde drei Siege gegen Bielefeld, Heidenheim und Kiel gegen den einen im Derby eintausche­n. Und heute? Draußen regnet es, ein paar Menschen joggen am Fenster vorbei. Fußball ist ganz weit weg.

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Christoph Ruf,

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