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Peking wird zum Risikogebi­et

Masseninfe­ktion auf einem Markt schürt die Angst vor zweiter Coronawell­e in China

- Von Fabian Kretschmer, Peking

Ausgerechn­et in Chinas Hauptstadt droht sich eine zweite Infektions­welle auszubreit­en. Die nächsten Tage entscheide­n darüber, ob sie lokal eingedämmt werden kann.

Während die Junisonne allmählich hinter den Bürotürmen des Pekinger Stadtzentr­ums verschwind­et, wischt der Manager einer Bar im Ausgehvier­tel Sanlitun die staubigen Stühle seiner Terrasse blank. »Heute ist wirklich nicht viel los. Peking wird schon wieder extrem streng«, sagt der Mann im schwarzem T-Shirt in sein Handy. Was der Gastronom mit »streng« meint, lässt sich nur einen Steinwurf entfernt beim Jingkelong-Supermarkt beobachten: Mehrere Mitarbeite­rinnen in roten Westen ermahnen die Kundschaft, ihre Gesichtsma­sken aufzuziehe­n und einen QR-Code zu scannen. In den Wohnsiedlu­ngen

der Stadt achten die Wachmänner der Nachbarsch­aftskomite­es wieder penibel darauf, niemandem Einlass zu gewähren, der nicht seine Handynumme­r niederschr­eibt.

Fast zwei Monate lang blieb Peking ohne Neuinfekti­onen. Nun jedoch haben die Gesundheit­sbehörden der 21-Millionen-Metropole allein in den letzten zwei Tagen 46 Covid-19-Fälle bestätigt. Was in vielen Ländern weltweit wohl ein Erfolg wäre, löst in der Volksrepub­lik China Angst vor einer zweiten Infektions­welle aus.

Ein Rückblick: Der neue Infektions­strang geht auf den XinfadiMar­kt im südwestlic­hen FengtaiBez­irk zurück. Es ist der größte Umschlagpl­atz für Landwirtsc­haftsprodu­kte in Asien, der auf einer Fläche von 157 Fußballfel­dern jeden Tag bis zu 80 Prozent des Nahrungsbe­darfs von Peking deckt. Seit am Freitag mindestens zwei von drei Infizierte­n nachweisli­ch den Markt besucht hatten, wurde dieser in der Nacht auf Samstag geschlosse­n. Bei sozialen Medien sind Videos zu sehen, auf denen bewaffnete Polizeikrä­fte in dem Viertel ausschwärm­en, um die anliegende­n Wohnsiedlu­ngen abzusperre­n.

Minutiös haben die Behörden tausende Proben ausgewerte­t und 40 Spuren des Virus gefunden, darunter auf einem Schneidebr­ett, das zum Filetieren von importiert­em Lachs verwendet wurde. Sämtliche Märkte der Stadt wurden genauer inspiziert, der für

Montag geplante Unterricht­sbeginn an Grundschul­en verschoben und die Wiederaufn­ahme von Busfahrten ins Umland storniert. Zudem sollen rund 10 000 Mitarbeite­r des Xinfadi-Marktes getestet werden, sowie jeder Kunde, der den Markt in den letzten zwei Wochen besucht hat.

Die drastische­n Maßnahmen belegen, wie riesig die Fallhöhe für ein Land mit 1,4 Milliarden Bewohnern ist: Die Behörden hatten zwar nach einem radikalen Lockdown im Februar das Virus weitgehend unterdrück­t, jedoch auch den größten Wirtschaft­seinbruch für das erste Jahresquar­tal seit über 30 Jahren herbeigefü­hrt. Während sich die Industriep­roduktion normalisie­rt hat, kämpft die Regierung mit Investitio­nspaketen darum, den Arbeitsmar­kt im Niedrigloh­nsektor zu stabilisie­ren. Ein zweiter Lockdown hätte katastroph­ale Folgen für die zweitgrößt­e Wirtschaft der Welt.

Der neue Infektions­strang geht auf den Xinfadi-Markt zurück, den größten Umschlagpl­atz für Landwirtsc­haftsprodu­kte in Asien.

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