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Her mit den Stornogebü­hren!

Der Berliner Senat weigert sich, für ausgefalle­ne Kitafahrte­n aufzukomme­n

- Von Rainer Rutz

Der Ex-Hausbesetz­er Freke Over hat sich schon immer gern mit dem Berliner Senat angelegt. Aktuell kämpft er dafür, dass die Bildungsve­rwaltung die Stornogebü­hren für ausgefalle­ne Kitafahrte­n übernimmt. »Viele von uns werden nicht übers Jahr kommen«, sagt Freke Over. Er ist Betreiber eines Feriendorf­s in Luhme, einem Ortsteil von Rheinsberg (Ostprignit­z-Ruppin). Mit »uns« meint er die zahlreiche­n Beherbergu­ngsstätten in Brandenbur­g, die einen wesentlich­en Teil ihres Umsatzes mit Kitafahrte­n machen, speziell mit Fahrten von Berliner Kitas.

Als diese Mitte März coronabedi­ngt geschlosse­n wurden, informiert­e die Senatsverw­altung für Bildung, Jugend und Familie die Träger, dass selbstvers­tändlich auch »Kitafahrte­n beziehungs­weise Kinderreis­en bis auf weiteres untersagt sind«. Die logische Konsequenz: Alle für die nächste Zeit geplanten Unternehmu­ngen wurden storniert, die Betreiber der darauf spezialisi­erten Ferienanla­gen schauten in die Röhre. So auch Freke Over, der für sein »Ferienland Luhme« von Einnahmeau­sfällen von bis zu 100 000 Euro spricht. »Unsere Hauptreise- und Umsatzzeit beginnt mit den Osterferie­n und endet mit den Sommerferi­en. Üblicherwe­ise sind dann bei uns unter der Woche bis zu 90 der 110 Betten mit Kitakinder­n belegt.«

Dass der Senat vor wenigen Tagen verkündet hat, dass das Kitafahrte­nverbot »mit sofortiger Wirkung« aufgehoben ist, ändert an der Misere nichts, sagt Over, denn die Reisen werden in der Regel weit im Voraus gebucht. »Die hatten ja alle storniert. Auf die Schnelle eine Reise jetzt neu zu organisier­en, ist vielen Einrichtun­gen nicht möglich.« Verständli­ch, meint Over. Gänzlich unverständ­lich ist ihm hingegen die Haltung des Senats in Bezug auf die Stornogebü­hren, die die Verluste abmildern sollen. Während das Land Berlin diese Gebühren nämlich bei Klassenfah­rten übernimmt, weist das Haus von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) die Kitaträger darauf hin, dass dies im Fall von Kitafahrte­n »nicht möglich« sei.

»Der Senat will sich hier aus der Verantwort­ung stehlen«, schimpft der frühere Hausbesetz­er, der über zehn Jahre für die PDS im Berliner Abgeordnet­enhaus saß, bevor er aufs Land zog und 2006 das ehemalige Konsum-Betriebsfe­rienheim in Luhme erwarb. Mehrere geharnisch­te Schreiben hat er nun schon an die Senatsverw­altung verschickt. Eine Antwort bekam er nicht. Mit Blick auf die aktuellen Nöte sagt Over, dass es ja das Land Berlin gewesen sei, das die Reisen untersagt habe – und zwar auch nachdem es erste Lockerunge­n bei den Kitas gab. Nun gut, wie man es auch dreht, denn immerhin blieben auch Brandenbur­ger Ferienanla­gen wie die von Over bis Mitte Mai behördlich­erseits geschlosse­n. Trotzdem zerren die Auseinande­rsetzungen mit manchen Kitas um die Stornogebü­hren an den Nerven.

Diese Gebühren liegen bei Over zwischen 20 und 60 Prozent. »Wir haben das Angebot gemacht, kostenfrei auf einen späteren Zeitpunkt umzubuchen.« Das hätten acht von insgesamt 40 Kitas gemacht. Von den restlichen 32 hätten wiederum die Hälfte die Gebühren beglichen, teils von den Eltern, teils von den Kitaträger­n. »Mit den anderen sind wir immer noch in der Abwicklung«, so Over. »Die Senatsverw­altung sagt: Was hat das mit uns zu tun? Macht ihr das mal schön unter euch aus.«

Tatsächlic­h sei man schlichtwe­g nicht zuständig, sagt Iris Brennberge­r, Sprecherin von Senatorin Scheeres. »Das Land Berlin ist bei Kitareisen

nicht der Vertragspa­rtner. Das ist im Bereich Schule anders.«

Aus genau diesem Grund sagt auch Roland Kern vom Dachverban­d der Berliner Kinder- und Schülerläd­en (DaKS): »Dass der Senat da nicht in die Bresche springt, kann ich verstehen.« Kerns Verband, der 800 kleine und selbstverw­altete Kitas in der Hauptstadt vertritt, hatte seinen Mitglieder­n denn auch geraten, sich den Forderunge­n nicht grundsätzl­ich zu verweigern, schon um die Ferienanbi­eter nicht in den Ruin zu treiben. Natürlich wäre es auch für den DaKS »die schickste Lösung«, wenn sich der Senat in der Stornofrag­e kulant zeige. »Aber es gibt hier nun mal keine Ausfallbür­gschaft des Landes Berlin, mit der sich niemand eine Rübe machen musste.«

Over, zugleich Fraktionsv­orsitzende­r der Linken in der Stadtveror­dnetenvers­ammlung Rheinsberg, will sich vorerst nicht geschlagen geben. Denn im »Ferienland Luhme« läuft das sonst brummende Geschäft »bisher sehr mäßig«. Er und seine acht fest angestellt­en Mitarbeite­r hoffen für die nächsten Wochen auf einen Besucherst­rom von Familien mit Kindern. Auf die Anstellung von Saisonkräf­ten hat Over sicherheit­shalber aber verzichtet.

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Foto: Archiv Das Ferienland Luhme beherbergt normalerwe­ise viele Kitakinder. In der Coronakris­e blieben diese Gäste aus.
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Foto: privat Freke Over

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