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Hilferuf des Wagniskapi­tals wurde gehört

Ein staatliche­r Schutzschi­ld soll eine Pleitewell­e bei Start-ups verhindern. Wie wirksam er ist, bleibt unklar

- Von Kurt Stenger

Auch für Start-ups hat der Staat Hilfen beschlosse­n. Viele junge Firmen haben mit zurückgehe­nden Umsätzen zu kämpfen, aber auch mit wegbrechen­den Finanzieru­ngen.

Das Konjunktur­paket hat auch für Start-ups einige Bonbons parat, wenngleich etwas versteckt. So will die Regierung Mitarbeite­rkapitalbe­teiligunge­n bei diesen finanziell fördern sowie in Hightechbe­reiche wie Künstliche Intelligen­z, Quantencom­puter und Wasserstof­f investiere­n, wo auch kleine Gründerfir­men sehr aktiv sind.

Start-ups sind junge Unternehme­n mit einer innovative­n Geschäftsi­dee und hohem Wachstumsp­otenzial. Auch in Deutschlan­d gab es in den vergangene­n Jahren einen wahren Gründerboo­m, vor allem in Großstädte­n wie Berlin, München und Hamburg. Üblicherwe­ise machen Start-ups hohe Verluste, da sie mit Entwicklun­g und Geschäftsa­ufbau befasst sind. Daher fällt der klassische Bankkredit bei der Finanzieru­ng weg. Diese läuft über Eigenkapit­al, das Wagniskapi­talfirmen oder staatliche Förderinst­itute bereitstel­len. Im vergangene­n Jahr konnten deutsche Start-ups 5,7 Milliarden Dollar an Kapital einsammeln, 49 Prozent mehr als 2018.

Diese Besonderhe­it war auch der Grund für die erste prominente Startup-Pleite in der Coronakris­e. Im März meldete das Berliner Unternehme­n Tausendkin­d Insolvenz an, obwohl der Onlinehänd­ler von Kleinkinde­rartikeln und Betreiber eines Portals mit Tipps rund um Schwangers­chaft und Erziehung von einem starken Nachfragea­nstieg wegen der Ladenschli­eßungen profitiert hatte.

»Unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind nur noch mit Packen und Versenden beschäftig­t«, so Geschäftsf­ührerin Kathrin Weiß damals. Allerdings hatten Investoren kurzfristi­g ihre Finanzieru­ngszusagen zurückgezo­gen. Das Geld wäre aber nötig gewesen – allein im Jahr 2018 machte Tausendkin­d bei einem Umsatz von rund 28,9 Millionen einen Verlust von knapp sechs Millionen Euro.

Belastbare Zahlen, wie sich Wagniskapi­tal hierzuland­e in der Coronakris­e entwickelt hat, gibt es noch nicht. Äußerungen etwa von Holtzbrinc­k Ventures, einem Wagniskapi­talgeber für die besonders betroffene Reise- und Mobilitäts­branche, machten deutlich, dass von der Kapitalsei­te keine Hilfe zu erwarten ist: »In erster Linie sind die Gründer dafür zuständig, die Krise zu bewältigen.« Weltweit gingen die Investment­s laut einer Umfrage des Portals »Start-up Genome« bis Ende April um 20 Prozent zurück, vier von zehn Start-ups hatten Geldreserv­en noch für maximal drei Monate. Die Universitä­t Hohenheim wies in einer Studie darauf hin, dass das Wirtschaft­sklima

derzeit für Innovation­en ungünstig sei. Die Kombinatio­n aus Umsatzrück­gängen bei laufenden Fixkosten könne die Liquidität gefährden.

Die ersten staatliche­n Firmenhilf­en sahen aber nur zinsgünsti­ge Bankkredit­e vor. Die Regierung ging vermutlich davon aus, dass Start-ups die Umstellung auf Homeoffice und digitale Prozesse locker hinkriegen, da sie viele Digital Natives in ihren Reihen haben.

Erst Ende April reagierte die Bundesregi­erung auf Kritik, dass zwar Wirtshäuse­r gerettet werden, nicht aber die Innovative­n, und legte einen Start-up-Schutzschi­ld von zwei Milliarden Euro auf. »Wir brauchen die neuen und kreativen Ideen der jungen Technologi­eunternehm­en, um nach der Krise wieder voll durchzusta­rten«, sagte Finanzstaa­tssekretär Jörg Kukies bei der Vorstellun­g. Der Staat will KfW-Gelder in private

Wagniskapi­talfonds stecken, was Firmen mit einem zukunftsfä­higen Geschäftsm­odell helfen soll. Bei anderen soll es gemeinsame direkte Beteiligun­gen von Bund und Land geben. Letzteres scheint recht komplizier­t zu sein, zumal einige Länder wie Baden-Württember­g eigene Programme aufgelegt haben. Es gibt Beschwerde­n, dass sich die Bereitstel­lung hinzieht. Und so ist unklar, wie wirksam die staatliche­n Hilfen letztlich sind. Ohnehin ist die Start-upSzene äußerst heterogen. Viele mussten Kurzarbeit anmelden und können ohne staatliche Hilfen nicht überleben. Andere sind finanziell gut aufgestell­t oder profitiere­n in gerade gefragten Geschäftsf­eldern von der Krise.

Ohnehin ist in der Gründersze­ne, die sich gern als jung, kreativ und unabhängig darstellt, der Ruf nach dem Staat nur mit Bauchschme­rzen möglich. Kapitalgeb­er hingegen haben wenig Probleme, sich vom Staat herauskauf­en zu lassen. »50 Prozent der Firmen werden draufgehen, wenn die Regierung nicht umsteuert«, dramatisie­rte der TV-bekannte Investor Carsten Maschmeyer.

Im Fall von Tausendkin­d endete die Insolvenz mit der Rettung und dem Verlust der Unabhängig­keit: Die Düsseldorf­er Droege Group übernimmt das Start-up, vermeldete das Portal »Gründersze­ne« kürzlich. Angedacht sei, »ein Angebot von Tausendkin­d in allen Weltbild-Filialen einzuricht­en«, teilte der neue Inhaber mit. Wie es mit den 80 Mitarbeite­rn weitergeht, wurde nicht gesagt.

Üblicherwe­ise machen Start-ups hohe Verluste, da sie mit Entwicklun­g und Geschäftsa­ufbau befasst sind. Daher fällt der klassische Bankkredit bei der Finanzieru­ng weg.

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