nd.DerTag

Atomrolle vorwärts

- Alexander Isele über das nächste nukleare Jahrhunder­t

Neue Atomwaffen auf dem Land, im Wasser und in der Luft – es scheint so, als müssten die Abrüstungs­hoffnungen seit dem Ende des Kalten Krieges begraben werden. Atomwaffen erleben ein Comeback als aktiver Posten der Militärstr­ategen. Die Friedensfo­rscher des Sipri-Instituts geben in ihrem neuesten Jahresberi­cht sogar ein Haltbarkei­tsdatum der sich verstärken­den nuklearen Dauerkonfr­ontation an: Bis in die 80er Jahre dieses Jahrhunder­ts sollen die Atomwaffen einsatzber­eit sein, die derzeit modernisie­rt werden.

Diese Entwicklun­g war genauso absehbar, wie sie zu vermeiden gewesen wäre. In der von Nationalst­aaten geprägten Weltordnun­g gilt weiter das Recht des Stärkeren, multinatio­nale Institutio­nen verlieren an Einfluss und an Bedeutung – nicht nur, aber auch weil einzelne Staats- und Regierungs­chefs einen strategisc­hen Vorteil für »ihr Land« erzielen wollen. Der »strategisc­he Gewinn« des einen wird so zur Gefahr aller. Spätestens mit dem Aufstieg Chinas zum Konkurrent­en – oder Herausford­erer? – der Weltmacht USA liegt die Nuklearopt­ion wieder auf dem Tisch.

Weder nach den beiden Weltkriege­n noch nach dem Ende des Kalten Krieges waren die mächtigen Staaten bereit, sich einer multinatio­nalen Ordnung zu unterwerfe­n, die ihre eigene Macht und ihren Handlungss­pielraum einschränk­t. So folgt, was folgen musste: Die kommenden 60 Jahre werden erneut zu einem Ritt auf der Rasierklin­ge.

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