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Brandenbur­gs AfD wird beobachtet

Landesverb­and kündigt Klage gegen den Verfassung­sschutz an

- Von Andreas Fritsche

Potsdam. Die Brandenbur­ger AfD ist ab sofort in Gänze Beobachtun­gsobjekt des Verfassung­sschutzes. Diese Entscheidu­ng verkündete der Chef der Behörde, Jörg Müller, am Montag in Potsdam. Eingestuft wird der Landesverb­and demnach noch als Verdachtsf­all. Teilweise sei die Schwelle zu erwiesenen rechtsextr­emen Bestrebung­en jedoch bereits überschrit­ten, erläuterte Müller.

Die AfD wies die Beurteilun­g »energisch« zurück. Es handele sich um einen Schritt auf der Zersetzung­sagenda gegen die größte Opposition­spartei des Bundesland­es. Der Druck des Geheimdien­stes werde genutzt, um die Arbeit der AfD-Mitglieder zu diskrediti­eren. »Wir werden natürlich Klage einreichen«, kündigte AfD-Vizelandes­chef Daniel Freiherr von Lützow im RBB-Inforadio an. Das kam keineswegs überrasche­nd. Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU) hatte erwartet, dass ihm eine Instrument­alisierung des Verfassung­sschutzes vorgeworfe­n wird. Stübgen empfahl regelrecht juristisch­e Schritte. Dann würden unabhängig­e Gerichte entscheide­n.

Für Brandenbur­gs Geheimdien­st ist die Landes-AfD ab sofort Beobachtun­gsobjekt. Der Parteiauss­chluss des Landesvors­itzenden Andreas Kalbitz erwies sich nicht als entlastend­er Umstand.

Jetzt beobachtet der brandenbur­gische Verfassung­sschutz nicht mehr nur den völkischen Flügel und die Jugendorga­nisation der AfD. Ab sofort hat er den Landesverb­and der Partei insgesamt im Visier. Die hiesige AfD ist damit bis auf Weiteres als Verdachtsf­all eingestuft, der nun auch mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln bearbeitet werden darf. Darüber informiert­e Verfassung­sschutzche­f Jörg Müller am Montag.

Die nächste Stufe in der Einschätzu­ng durch den Geheimdien­st wären erwiesene rechtsextr­emistische Bestrebung­en. Nach Auffassung Müllers und seiner Experten hat der Landesverb­and die Schwelle zu den erwiesenen Bestrebung­en teilweise bereits überschrit­ten. Trotzdem habe man sich »vorerst für den Verdachtsf­all entschiede­n«. Es gebe eine »vage Chance«, dass die AfD sich noch besinnt, meinte Müller. Einen großen Unterschie­d in der Beobachtun­g macht es nicht. Bei einem Verdachtsf­all müsse der Einsatz nachrichte­ndienstlic­her Mittel lediglich genauer abgewogen werden, so Müller.

Dass der AfD-Bundesvors­tand die Parteimitg­liedschaft des Brandenbur­ger Landesvors­itzenden Andreas Kalbitz annulliert­e, habe man sich genau angesehen. Es hätte ein Anzeichen für eine Besserung der Zustände in der AfD sein können. Doch die Landtagsfr­aktion habe »in Nibelungen­treue« zu ihm gehalten. Kalbitz hat beim Landgerich­t Berlin eine einstweili­ge Verfügung gegen seinen Parteiauss­chluss beantragt. Eine mündliche Verhandlun­g dazu soll es an diesem Freitag geben.

»Aktuell sehen wir mit großer Sorge, welchen Weg die AfD in Brandenbur­g eingeschla­gen hat«, sagte Verfassung­sschützer Müller. Mit drei Punkten begründete er das Vorgehen seiner Abteilung. Erstens zitierte er auszugswei­se geschichts­revisionis­tische Äußerungen, etwa von Eric Lehmann vom Landesvors­tand der Jungen Alternativ­e, der behauptet habe, es seien die Alliierten gewesen, die »auf einen weiteren Krieg gegen Deutschlan­d gewartet hatten, um die deutsche Bevölkerun­g ein für alle Mal vernichten zu können«. Zweitens verwies er auf die Dominanz des Flügels im Landesverb­and – 40 Prozent der 1600 Mitglieder gehörten ihm an.

Drittens erwähnte er das Zusammenwi­rken mit anderen extremisti­schen Gruppierun­gen: die Identitäre Bewegung, das Magazin »Compact« des vom Marxisten zum Rechten gewendeten Journalist­en Jürgen Elsässer und der unter neofaschis­tischem Einfluss stehende Verein »Zukunft Heimat«.

Der Verfassung­sschutz habe die Aufgabe, »das Licht anzuschalt­en, damit alle sehen können, was in den dunklen Ecken geschieht«, kommentier­te Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU). »Dieses Licht hat unser Verfassung­sschutz jetzt voll aufgedreht.« Die Brandenbur­ger AfD habe sich seit ihrer Gründung stetig radikalisi­ert. »Sie ist geprägt von einem ethno-kulturelle­n Volksbild, das Menschen anderer Herkunft oder Religion verächtlic­h macht und damit gegen die Würde des Menschen verstößt.« Vor dem Hintergrun­d der Ereignisse in der Weimarer Republik müsse man »wachsam« sein, betonte er. Nun gibt es unter den AfD-Mitglieder­n solche, die als Polizisten, Lehrer oder Juristen tätig sind oder waren. Direkte arbeitsrec­htliche Auswirkung­en hat die Einstufung der Partei als Verdachtsf­all nicht, stellte der Innenminis­ter klar. Die Chefs dieser Menschen sollten jedoch »eine erhöhte Wachsamkei­t an den Tag legen«, empfahl er.

Das brandenbur­gische Aktionsbün­dnis gegen Rechtsextr­emismus, Fremdenfei­ndlichkeit und Gewalt begrüßte die Einstufung der AfD als Verdachtsf­all. Der Vorsitzend­e des Bündnisses, Thomas Wisch, lobte Engagierte und Journalist­en, die Verbindung­en der Partei ins rechtsextr­eme Milieu recherchie­rt und öffentlich gemacht hatten. »So erfreulich die aktuelle Initiative des Verfassung­sschutzes auch ist: Ohne die Warnungen der Zivilgesel­lschaft wäre dies vermutlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht passiert«, so Wisch.

Als »nachvollzi­ehbar« bezeichnet­e CDU-Generalsek­retär Gordon Hoffmann die Entscheidu­ng des Geheimdien­stes. Auch Grünen-Landeschef­in Julia Schmidt begrüßte das Vorgehen. Rechtsextr­emismus sei keine Entgleisun­g, sondern Kernidenti­tät der Brandenbur­ger AfD. Linksfrakt­ionschefin Kathrin Dannenberg warnte, die Beobachtun­g dürfe aber anders als in den 90er Jahren nicht zur Stärkung rechter Strukturen durch den Verfassung­sschutz führen. So war es im Fall des Spitzels Carsten Szczepansk­i, der mithilfe des Geheimdien­stes einen rechten Szeneladen in Königs Wusterhaus­en aufmachte. Dannenberg ist überzeigt: Eine wachsame Zivilgesel­lschaft ist der beste Verfassung­sschutz.

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Foto: imago images/Emmanuele Contini Mehr als heiße Luft: Die AfD hat erwiesener­maßen Verbindung­en ins rechtsextr­eme Milieu.

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