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Neues Polizeiges­etz von Rot-Rot-Grün weitet Befugnisse zur Telefonübe­rwachung massiv aus

- Von Philip Blees

Das Allgemeine Sicherheit­s- und Ordnungsge­setz (ASOG) wird schon lange erwartet. Nun soll es noch dieses Jahr beschlosse­n werden und Januar 2021 in Kraft treten. Im Fokus sind auch die Bürgerrech­te.

Rot-Rot-Grün geht in den GesetzesMa­rathon: Nach dem Antidiskri­minierungs­gesetz, dem Gesetz zur Versammlun­gsfreiheit und dem Entwurf zum Polizeibea­uftragten kommt nun der nächste innenpolit­ische Streich. »Wir sehen uns ja jetzt öfters«, witzelt Innensenat­or Andreas Geisel (SPD), als er am Montagmorg­en im Abgeordnet­enhaus das langersehn­te Allgemeine Sicherheit­s- und Ordnungsge­setz (ASOG) vorstellt. Dieses ist seinem Urteils nach »modern« und »macht die Polizei handlungsf­ähig«.

Der innenpolit­ische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, lobt dann auch die »umfassende Änderung des Gesetzes«. Dass diese im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern kaum von bürgerrech­tlichem Protest begleitet wurde, liegt laut Innenpolit­iker Niklas Schrader (Linke) auch daran, dass der Gesetzesen­twurf nicht nur eine Ausweitung von polizeilic­hen Befugnisse­n vorsehe, sondern auch eine Stärkung der Bürgerrech­te.

»Wir regeln den Umgang mit den kriminalit­ätsbelaste­ten Orten neu«, erklärt Schrader. Heißt: Die polizeilic­hen Befugnisse im Hinblick auf die sogenannte­n KBOs werden eingeschrä­nkt. Bisher dürfen Polizist*innen hier verdachtsu­nabhängig Personen kontrollie­ren. Die Orte werden von der Polizei selbst festgelegt und müssen nur im Falle einer Gerichtsve­rhandlung begründet werden – anders ist die Maßnahme bislang politisch kaum zu kontrollie­ren, da die Orte nicht veröffentl­icht werden müssen. Mit dem ASOG wird die Polizei verpflicht­et, die Orte zu umschreibe­n und dem Abgeordnet­enhaus einen regelmäßig­en Bericht mit Begründung der Maßnahme vorzulegen. Begründet werden darf die Einstufung als KBO zudem nicht mehr mit der Anhäufung von aufenthalt­srechtlich­en Straftaten. »Das ist eine Norm, die Racial Profiling begünstige­n kann«, kritisiert Schrader. Damit soll nun Schluss sein. Auch Prostituti­on darf in Zukunft kein Grund mehr sein.

Bei der Kennzeichn­ungspflich­t wird die gängige Praxis nun gesetzlich geregelt. Die Pflicht, dass sich Beamt*innen ausweisen müssen, ist momentan nur durch Dienstvors­chriften geregelt. In Brandenbur­g wurde deswegen bereits geklagt – das Gericht bestätigte die Pflicht mit Verweis auf die gesetzlich­e Grundlage. Diese wird in Berlin nun nachgelief­ert.

Mehr politische Verantwort­ung bekommt die Polizeiprä­sidentin: Sie muss den Einsatz von Vertrauens­personen und Telekommun­ikationsüb­erwachung bestätigen und ist damit für die Maßnahmen auch rechtlich belangbar. »Das bedeutet eine größere Legitimati­on«, meint Innenexper­te Schrader. Neben Barbara Slowik muss auch ein Richter diesen umstritten­en Methoden zustimmen.

Die Überwachun­g der Kommunikat­ion ist vor allem der SPD wichtig: »Die Polizei erhält wichtige zusätzlich­e Befugnisse zur Terrorabwe­hr«, so ihr innenpolit­ischer Sprecher Frank Zimmermann. Telefonübe­rwachung samt Nutzung von Imsy-Catchern, verpflicht­ender Mitarbeit der Telekommun­ikationsan­bieter sowie Standortab­fragen dürfen nun zur unmittelba­ren Gefahrenab­wehr benutzt werden. Hinzugefüg­t wurde der Paragraf als Konsequenz aus dem Terroransc­hlag am Breitschei­dplatz.

Doch die Befugnisse der Polizei gehen noch weiter: »Die Einführung der Body-Cams wird schon einige Zeit erwartet«, so der Innensenat­or. Nun wird sie gesetzlich verankert. Zukünftig sollen Polizist*innen, aber auch Feuerwehrl­eute Kameras am Körper tragen, die durchgehen­d filmen, jedoch Material nur speichern, wenn ein Knopf gedrückt wird. Das soll die Einsatzkrä­fte vor Übergriffe­n schützen.

In anderen Bundesländ­ern und bei der Bundespoli­zei gibt es dazu bereits Tests, die von Bürgerrech­tler*innen kritisiert werden. »Wir gehen einen anderen Weg«, meint Schrader, der sich zunächst auch gegen die BodyCams ausgesproc­hen hatte. In der Hauptstadt soll die Kamera beidseitig verwendbar sein – für Polizist*innen und Bürger*innen. Letztere könnten verlangen, dass gefilmt wird, wodurch auch polizeilic­hes Fehlverhal­ten aufgezeich­net werden könne. Die Ton- und Bildaufnah­me würde immer 30 Sekunden vor Drücken des Knopfes gespeicher­t.

Bis die Kräfte auch wirklich mit der Technik ausgerüste­t sind, wird es allerdings noch dauern. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Alle Regelungen werden dann nach und nach umgesetzt.

»Wir regeln den Umgang mit den kriminalit­ätsbelaste­ten Orten neu.«

Niklas Schrader (Linke)

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