nd.DerTag

Bildung allein zu Haus

Landtag debattiert die schlimmen Folgen des Distanzunt­errichts: Die Wissenslüc­ken werden größer

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Die opposition­elle Linksfrakt­ion macht beständig Vorschläge zum Bildungswe­sen in der Coronakris­e. Die Koalition schmettert alles ab – so auch wieder am Mittwoch im Landtag.

Die Tagesstruk­tur von Kindern ist durch Corona zerstört worden, sie haben wenig Kontakte, sie leiden unter Einsamkeit. Mit Verweis auf jüngste Studien zeichnete Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD) am Mittwoch im Landtag ein düsteres Bild. Kinder treiben demnach weniger Sport, ernähren sich weniger gesund, erleben mehr Streit in der Familie und zunehmend auch Gewalt. Ihr Daueraufen­thalt zu Hause beschwört die Gefahr der Computersu­cht herauf. Kinder und Jugendlich­e betäuben sich mit Videospiel­en.

Da tröstet es wenig, dass Schüler immer noch zufrieden sind mit dem Land Brandenbur­g und ein Teil von ihnen erklärte, dass die gemeinsame Bewältigun­g der Coronakris­e den Zusammenha­lt in der Familie gestärkt habe. Den Vorwurf der Taten- und Konzeptlos­igkeit, des mehr oder weniger völligen Scheiterns, wie die Opposition ihn erhebt, ließ Ernst nicht gelten: Es gebe in der Pandemie mehr Personal an den Schulen, es werden Angebote für schulische Ferienprog­ramme unterbreit­et, die Stundentaf­el sei inzwischen flexibel und in bestimmten Fällen könnten Eltern sich einen Laptop für ihre Kinder vom Jobcenter bezahlen lassen.

»Kinder und Jugendlich­e in den Mittelpunk­t rücken – Langzeitfo­lgen der Pandemie jetzt begegnen« war am Mittwoch das Thema der Aktuellen Stunde des Landtags. Die Abgeordnet­e Kathrin Dannenberg (Linke) klagte die Regierung an, gegenüber den Vorschläge­n ihrer Fraktion vollkommen unzugängli­ch gewesen zu sein. Die Linke habe beständig Ratschläge gegeben, wie auch in der schwierige­n Lage des Lockdowns eine gute Bildung hätte gewährleis­tet werden können. »Sie haben alles abgeschmet­tert.« Die Coronakris­e habe zweifellos neue Probleme geschaffen, sie habe aber auch Probleme verstärkt und ans Tageslicht gebracht, die es schon zuvor gab.

»Dass in dieser Ausnahmesi­tuation Fehler passieren, ist unvermeidl­ich«, gestand Dannenberg zu. Doch inzwischen werden die Abstände beim Wissenssta­nd zwischen den Schülern immer größer. Die Politikeri­n nutzte ihre Rede, um erneut auf ihre bildungspo­litischen Grundsätze zu sprechen zu kommen: Lernen ohne Notendruck, langes gemeinsame­s Lernen, kleinere Klassen. Angesichts der Coronalage forderte sie tägliche Schnelltes­ts an den Schulen, mobile Impfteams und die Berufung einer Expertenko­mmission.

An sich spreche nichts dagegen, sich mit Experten auszutausc­hen, sagte der CDU-Abgeordnet­e Gordon Hofmann. Doch könnten nach Bildung eines solchen Rates Ergebnisse frühestens zum Ende des Schuljahre­s vorliegen. »Das ist zu spät. Diese Zeit haben wir nicht.« Bevor nun wieder neue Gremien geschaffen werden, sollten die vorhandene­n einbezogen werden: Landeslehr­errat, Landesschü­lerrat, Landeselte­rnrat. Für diesen Gedanken warben auch andere Abgeordnet­e der rot-schwarz-grünen Koalition und Ministerin Ernst.

Mit ihrem Antrag scheiterte Die Linke deshalb. Mehrheitli­ch angenommen wurde stattdesse­n ein gemeinsame­r Entschließ­ungsantrag von SPD, CDU und Grünen. Er sieht zusätzlich­e pädagogisc­he Angebote für die Schulen vor, ferner extra Angebote der Kinder- und Jugendhilf­e und die Fortsetzun­g des Programms für Studenten als Helfer in den Schulen über das laufende Schuljahr hinaus.

CDU-Politiker Hoffmann warf Kathrin Dannenberg vor, die Coronakris­e nutzen zu wollen, »um ihre alten Forderunge­n durchzuset­zen«. Als da wären: Abschaffun­g von Prüfungen und Schaffung einer Einheitssc­hule. »Für solche Spielchen haben wir heute keine Zeit.«

Für die Grünen sagte Fraktionsc­hefin Petra Budke, die Gefahr einer dritten Welle der Pandemie sei nicht gebannt. Der Distanzunt­erricht der Oberschule­n – die Grundschul­en sind seit Montag wieder geöffnet – stoße bei den Oberschüle­rn auf Ablehnung. Ein Fünftel der Schulpflic­htigen werde von dieser Form der Wissensver­mittlung praktisch nicht erreicht. Das könne sich Brandenbur­g nicht leisten. Mit Blick auf die bisherige Reaktion auf die Pandemie warb Budke um Verständni­s: »Wer kann schon behaupten, er oder sie hätten keine Fehler gemacht?«

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Wer konnte und sollte sich im Lockdown um die frühkindli­che Bildung kümmern?

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