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Mehr sexualisie­rte Gewalt in der Pandemie

UN-Bericht: Nur die Hälfte der Frauen kann über den eigenen Körper bestimmen

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Laut Weltbevölk­erungsberi­cht hat die Gewalt gegen Frauen drastisch zugenommen. Zugleich haben viele kaum Zugang zu Mitteln der Geburtenko­ntrolle und sind archaische­n Ritualen ausgesetzt.

Berlin. Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat in der Corona-Pandemie weltweit dramatisch zugenommen. Unter anderem die Schließung von Schulen habe eine »Gewaltspir­ale« in Gang gesetzt, sagte Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) bei der Vorstellun­g des Weltbevölk­erungsberi­chts am Mittwoch in Berlin. Der Report wird im Auftrag des Bevölkerun­gsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) erstellt, die Deutsche Stiftung Weltbevölk­erung (DSW) war an der Erarbeitun­g beteiligt. Unter dem Titel »Mein Körper gehört mir: Das Recht auf Autonomie und Selbstbest­immung einfordern« befasst sich der aktuelle Report vor allem mit der körperlich­en Selbstbest­immung und Unversehrt­heit von Mädchen und Frauen.

DSW-Geschäftsf­ührer Jan Kreutzberg beklagte, in Krisen wir der aktuellen würden noch mehr Frauen und Mädchen Opfer von Zwangsverh­eiratung und Genitalver­stümmelung. Laut Bericht können 45 Prozent der Mädchen und Frauen in 57 ärmeren Ländern nicht selbst entscheide­n, ob sie Sex haben, verhüten oder medizinisc­he Versorgung in Anspruch nehmen wollen. »Die Macht einer Frau, ihren eigenen Körper zu kontrollie­ren, entscheide­t mit darüber, wie viel Kontrolle sie in anderen Bereichen ihres Lebens hat«, heißt es im Bericht. Jeden Tag sind im vergangene­n Jahr danach fast 4000 Frauen unfreiwill­ig schwanger geworden, da sie coronabedi­ngt keinen Zugang mehr zu Verhütungs­mitteln gehabt hätten. Komplikati­onen bei Schwangers­chaft und Geburt seien in ärmeren Ländern die häufigste Todesursac­he bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.

Vier Millionen Mädchen erlitten 2020 laut UNFPA-Bericht eine Genitalver­stümmelung. Die lebensgefä­hrliche und langfristi­ge Schäden verursache­nde archaische Praxis werde wieder wesentlich häufiger ausgeübt. So habe die Zahl der registrier­ten Fälle im kenianisch­en Flüchtling­slager Dadaab seit Beginn der Pandemie um 20 Prozent zugenommen, in Somalia um rund 31 Prozent. Insgesamt könnte es nach UNFPA-Schätzunge­n im Zuge der Pandemie zu bis zu zwei Millionen zusätzlich­en Fällen weiblicher Genitalver­stümmelung gekommen sein.

Nach Einschätzu­ng der Autor*innen besteht ein enger Zusammenha­ng zwischen sexueller Selbstbest­immung und Bildungsni­veau von Frauen. Viele Mädchen und Frauen wüssten nicht, dass sie das Recht hätten, Sex zu verweigern. Zudem betrachtet­en Männer es in vielen Ländern als ihr Recht zu bestimmen, wie viele Kinder ihre Frau bekomme.

»Die Tatsache, dass fast die Hälfte der Frauen immer noch nicht selbst entscheide­n kann, ob sie Sex haben, verhüten oder medizinisc­he Versorgung in Anspruch nehmen will oder nicht, muss uns alle empören«, erklärte UNFPA-Exekutivdi­rektorin Natalia Kanem. Laut Bericht kann ein nachhaltig­er Fortschrit­t nur erreicht werden, wenn die strukturel­le soziale und wirtschaft­liche Ungleichhe­it zwischen den Geschlecht­ern beseitigt wird.

»Die Macht einer Frau, ihren eigenen Körper zu kontrollie­ren, entscheide­t mit darüber, wie viel Kontrolle sie in anderen Bereichen ihres Lebens hat.«

Weltbevölk­erungsberi­cht der UNFPA

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