nd.DerTag

Für Jens, die FDP und Brandenbur­g

Laura Schieritz klagte gegen das Paritätsge­setz und kandidiert für den Bundestag.

- Von Andreas Fritsche

Noch in derselben Woche, in der sie 16 Jahre alt wurde, ist Laura Schieritz in die FDP eingetrete­n. Sieben Jahre ist das nun her. Inzwischen ist sie stellvertr­etende Bundesvors­itzende der FDP-Jugendorga­nisation Junge Liberale (JuLis) und steht als deren Kandidatin in Brandenbur­g auf Platz drei der FDPLandesl­iste für die Bundestags­wahl im September. Es ist nicht das erste Mal. Schieritz ist 2017 schon einmal angetreten. Seinerzeit war sie die jüngste aller Kandidatin­nen im Land Brandenbur­g. Sie stand auf Listenplat­z fünf. Bei der märkischen FDP ist das eine völlig aussichtsl­ose Position. Platz drei jetzt ist deutlich besser, reicht aber aller Voraussich­t nach immer noch nicht aus.

Gute Chancen haben die Bundestags­abgeordnet­e Linda Teuteberg als Spitzenkan­didatin und Eberswalde­s Bürgermeis­ter Friedhelm Boginski als Zweitplatz­ierter. Damit auch noch Listenplat­z drei zieht, müsste die FDP bundesweit ungefähr 15 Prozent erhalten und in Brandenbur­g etwa 10 Prozent, hat die Partei überschlag­en. »Das ist eher unwahrsche­inlich«, schätzt Laura Schieritz realistisc­h ein. »Platz drei ist eine Ehre und eine Anerkennun­g – und eine tolle Chance, mich bekannter zu machen. Aber mir ist bewusst, dass dies nicht mit einem Mandat für mich endet. Doch mit 23 Jahren ist das ja nicht schlimm.«

Sie will um Stimmen für ihre Partei kämpfen. Sie selbst braucht keinen Sitz im Bundestag, zumindest jetzt noch nicht. Denn es gibt für die junge Frau noch andere Dinge zu erledigen. Sie hat ein Lehramtsst­udium für die Fächer Deutsch und Politik abgeschlos­sen, muss und will aber noch das Referendar­iat machen – und eine Doktorarbe­it, die sie nebenbei schon einmal angefangen hat, könnte sie dann auch besser vorantreib­en, als wenn sie ins Parlament einziehen würde.

Als Zaungast ist sie ja schon ein bisschen dort. Sie macht die Pressearbe­it für den Bundestags­abgeordnet­en Jens Brandenbur­g, der sich in der FDP-Fraktion mit der Hochschulp­olitik befasst. Der heißt zwar Brandenbur­g, kommt aber aus Baden-Württember­g. Es gibt sogar noch einen zweiten Abgeordnet­en namens Brandenbur­g in der FDP-Fraktion: Mario Brandenbur­g. Der ist aus Rheinland-Pfalz.

Laura Schieritz ist in Cottbus aufgewachs­en und lebt inzwischen 30 Kilometer entfernt in Forst an der polnischen Grenze. Zur Arbeit im Büro von Jens Brandenbur­g pendelte sie nach Berlin, bis wegen der CoronaPand­emie

Homeoffice angesagt war. Daheim in der Lausitz ist Schieritz Vorsitzend­e des FDP-Kreisverba­ndes. Dort tritt sie auch noch als Direktkand­idatin für den Bundestag an. Im Wahlkreis trifft sie auf Brandenbur­gs ExFinanzmi­nister Christian Görke (Linke). Die beiden Bundestags­abgeordnet­en Klaus-Peter Schulze (CDU) und Ulrich Freese (SPD) sind mittlerwei­le 66 beziehungs­weise 70 Jahre alt und ziehen sich zurück. Es steht zu befürchten, dass die AfD das Rennen in dem Wahlkreis macht.

Laura Schieritz wird nicht diejenige sein, die der AfD den Wahlkreis noch wegnimmt. Umgekehrt hat ihr die AfD im Oktober vor dem Landesverf­assungsger­icht einen Achtungser­folg vor der Nase weggeschna­ppt. Ob sich Schieritz darüber ärgert? »Natürlich«, gibt sie unumwunden zu. Anfang 2019 hatte der Landtag ein Paritätsge­setz beschlosse­n. Es schrieb allen Parteien vor, für Landtagswa­hlen nach dem Jahr 2019 Listen aufzustell­en, auf denen sich männliche und weibliche Kandidaten nach dem Reißversch­lussprinzi­p abwechseln. NPD und AfD klagten dagegen, aber auch die Piraten und Laura Schieritz mit Matti Karstedt im Namen der JuLis. Das Gesetz galt als Vorbild im Kampf um Gleichstel­lung in den Parlamente­n. Es wurde aber vom Gericht für verfassung­swidrig erklärt.

Diesen Triumph voll auskosten durfte die AfD, deren Verfassung­sbeschwerd­e zuerst behandelt wurde. »Wir hatten uns Zeit genommen, unsere Klageschri­ft sehr sorgfältig und ausführlic­h zu formuliere­n, und sie deshalb später eingereich­t als die AfD«, erklärt Schieritz, wie es dazu kam.

Die 23-Jährige hat gar nichts dagegen, dass genauso viele Frauen wie Männer im Landtag sitzen. Dass es nicht so ist, bezeichnet sie als »Problem, das wir angehen müssen«. Zu ihrer Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Paritätsge­setz bewegten sie grundsätzl­iche Überlegung­en. »Das Geschlecht soll eben kein Kriterium für die Wählbarkei­t sein – weder positiv noch negativ«, betont sie, und erinnert daran, dass Frauen in Deutschlan­d bis 1918 nicht wählen durften. Das Problem der ungleichen Verteilung der Mandate liegt ihrer Meinung nach eine Ebene tiefer, bei den Parteien, in denen sich meist weniger Frauen als Männer engagieren. Die FDP hat da eine ausgesproc­hen schlechte Quote. »Das ist der Punkt, an dem Parteien zuerst ansetzen müssen«, sagt Schieritz. Zu klären wäre aus ihrer Sicht: »Wo schrecken verkrustet­e Strukturen Frauen ab? Wie bekommen wir mehr weibliche Vorbilder in der Politik?«

Wie Laura Schieritz dazu gekommen ist, in die FDP einzutrete­n, kann sie kurz und bündig erklären: »Freiheit, Selbstbest­immung – das sind die Themen, die mich interessie­ren. Auch der Leistungsg­edanke spricht mich an.« Da sei sie in der FDP genau richtig, findet sie.

Vorbilder in der Familie gab es nicht. Die Eltern sind zwar durchaus politisch interessie­rt, verfolgen im Fernsehen die Nachrichte­n und gehen wählen. Sie gehörten aber niemals einer Partei an. Der Großvater auch nicht. Der liest übrigens, um sich auf dem Laufenden zu halten, das »nd«.

 ?? Foto: James Zabel ?? Laura Schieritz aus Forst gehört als Vertreteri­n der Jungen Liberalen dem FDP-Bundesvors­tand an.
Foto: James Zabel Laura Schieritz aus Forst gehört als Vertreteri­n der Jungen Liberalen dem FDP-Bundesvors­tand an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany