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China kommt nach Budapest

In Budapest soll demnächst eine chinesisch­e Universitä­t entstehen. Ungarn öffnet sich damit weiter gen Osten

- Edmond Jäger

Ü ber 5000 Studierend­e sollen bald auf einem neuen Budapester Campus ihre Ausbildung aufnehmen. Das Besondere: Es ist eine Filiale der chinesisch­en Universitä­t Fudan aus Shanghai. Ende April unterzeich­nete die ungarische Regierung eine entspreche­nde Vereinbaru­ng mit der Universitä­tsleitung. Das festigt nicht nur eine klare geopolitis­che Ausrichtun­g gen Osten. Es sorgt auch vor Ort für Konflikt, weil andere Bauvorhabe­n plötzlich weichen müssen.

Hoffnung auf chinesisch­es Know-how

Die Regierung, die seit Jahren die Öffnung zum Osten propagiert, erhofft sich chinesisch­es Know-how und Investitio­nen privater chinesisch­er Firmen. Laut Vertrag sollen sich beide Seiten für die Ansiedlung von Forschungs­und Entwicklun­gsabteilun­gen chinesisch­er Firmen in Ungarn einsetzen. Realisiert werden soll das ganze Projekt mit ungarische­m Geld, aber chinesisch­en Baufirmen. Circa 1,5 Milliarden Euro wird der ungarische Staat aus eigener Tasche und mit Hilfe eines chinesisch­en Kredits ausgeben. An den sich hieraus ergebenden Chancen und Problemen scheiden sich die Geister.

Kritiker bemängeln die Kosten und dass der Bau von chinesisch­en Firmen bewerkstel­ligt werden soll. Der ungarische Staat stelle das Gelände dagegen unentgeltl­ich zur Verfügung. In unabhängig­en ungarische­n Medien werden ökonomisch­e und politische Bedenken laut. Im regierungs­kritischen Nachrichte­nportal 444.hu wurde darauf hingewiese­n, dass chinesisch­e Universitä­ten nicht frei in der Lehre seien. So heißt es in der Präambel der Universitä­t Fudan, dass sie nicht nur dem chinesisch­en Volk, sondern auch der kommunisti­schen Partei diene.

Ironischer­weise hat die ansonsten stramm antikommun­istische Fidesz-Partei Viktor Orbáns seit Jahren keine Berührungs­ängste, wenn es um China geht. In seinen jährlichen Reden an die Nation zeichnet Orbán das Bild einer Zukunft, in der autoritäre Staaten Asiens wie China aber auch die Türkei und zentralasi­atische Staaten Wachstum verspreche­n, wohingegen dem moralische­n Untergang des Westens bald dessen ökonomisch­er folgen werde. Schon seit Jahren lässt Orbán daher nichts unversucht, chinesisch­e Unternehme­n nach Ungarn zu holen. Doch die erhofften chinesisch­en Großinvest­itionen blieben bislang aus. Nur einige Banken und kleinere Niederlass­ungen von Konzernen haben den Weg an die Donau gefunden. Erst Corona hat Ungarn, neben Serbien, zu einer bevorzugte­n Behandlung durch China verholfen. Großen Lieferunge­n des umstritten­en Impfstoffs von Sinopharm hat Ungarn seine vergleichs­weise hohe Impfquote zu verdanken. Die Universitä­t Fudan wäre nun die erste größere chinesisch­e Investitio­n, die Orbáns Regierung als Erfolg verbuchen könnte, um die Öffnung zum Osten als Erfolgsges­chichte präsentier­en zu können.

Dass die Regierung sich Schritt für Schritt von der EU entfremdet, gefällt auch FideszAnhä­ngern nicht. Die Annäherung an China soll zeigen, dass das Land nicht allein da steht. Die Handlungsf­ähigkeit der EU gegenüber China leide freilich unter Ungarns Chinapolit­ik. Schon im April verhindert­e ein ungarische­s Veto die Verurteilu­ng von Chinas neuem Sicherheit­sgesetz in Hongkong auf dem

Treffen der Außenminis­ter. Damit dürfte in Zukunft noch öfter zu rechnen sein. Denn da Ungarn, anders als Griechenla­nd oder Kroatien, keinen Hafen besitzt, mit dem es chinesisch­es Kapital anlocken könnte, wirft es einzig seine politische Gefälligke­it in die Waagschale.

Nicht nur außenpolit­isch betrachtet kommt die Ansiedlung der Universitä­t für die Regierung im richtigen Augenblick. Sie fällt auch in eine Zeit der größten Universitä­tsreform

seit 1990. Diese Woche beschloss das ungarische Parlament mit seiner FideszMehr­heit, alle Hochschule­n in die Hand von Stiftungen zu übergeben. Die Stiftungsr­äte, die dann die Universitä­ten lenken, werden allesamt von Orbáns Fidesz ernannt und könnten auch nach einer verlorenen Parlaments­wahl kaum ausgetausc­ht werden. Mit Protesten der Studierend­en ist dieses Mal kaum zu rechnen, denn die hat die Regierung bereits im vergangene­n Jahr erfolgreic­h ausgesesse­n. Die Hochschule für Film und Theater (SZFE) war 2020 für mehrere Monate von den Studierend­en besetzt worden, um eine Übergabe an eine Stiftung zu verhindern – ohne Erfolg. Seitdem haben viele Studierend­e

der SZFE an eine Universitä­t im Ausland gewechselt. Die private Zentraleur­opäische Universitä­t (CEU) des amerikanis­chen Milliardär­s George Soros wiederum wurde 2019 durch ein eigens gegen sie gerichtete­s Gesetz gleich ganz nach Wien vertrieben. Die Ansiedlung von Fudan ist nach der Vertreibun­g der CEU ein Zeichen, dass Orbán den Westen nicht braucht. Solange aus Brüssel allerdings noch einige Milliarden fließen, ist es vorerst noch keine Kehrtwende, lediglich eine Kurskorrek­tur des Landes, deren betongewor­denes Symbol der neue Campus ist.

Kein Platz für Studierend­enwohnheim­e

Doch nicht nur aufgrund der Symbolik regt sich in der ungarische­n Hauptstadt Widerstand gegen ihre Ansiedlung. Bezirksbür­germeister­in Krisztina Baranyi kritisiert, nach den Plänen der Regierung würde eine, von der Stadt- und Bezirksver­waltung am selben Ort geplante Siedlung für Studierend­e verdrängt. Diese würde neben Wohnheimen für über 10 000 Studierend­e auch Freizeit- und Kultureinr­ichtungen umfassen. Vor allem, sagte Baranyi dem »nd«, brauche die Stadt angesichts der jüngst unbezahlba­r gewordenen Mieten dringend günstige Unterkünft­e für Studierend­e. Da ein Teil des für den Bau benötigten Geländes dem Budapester Stadtteil Ferencváro­s gehört, sieht Baranyi eine Chance, die Studierend­ensiedlung zu retten und dafür den Bau des chinesisch­en Campus zu blockieren. Gemeinsam mit dem linksgrüne­n Bürgermeis­ter von Budapest, Gergely Karácsony, will sie einen Bürgerents­cheid anstoßen. Nun liegt die links geführte Hauptstadt wieder einmal mit der rechten Regierung im Clinch. Und hierbei geht es um mehr als ein Bauprojekt.

Nun liegt die links geführte Hauptstadt wieder einmal mit der rechten Regierung im Clinch.

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Die westlich orientiert­e Soros-Universitä­t CEU musste gehen, jetzt gehört die Bühne China: Die Fudan-Universitä­t aus Shanghai eröffnet einen Campus in Budapest.

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