nd.DerTag

Historisch­es Unrecht

Daniel Lücking über Guantanamo und den westlichen Rachefeldz­ug

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Die Bilder, die am 11. September 2001 um die Welt gingen, brannten sich in das Gedächtnis der Menschen. Fast 3000 Tote durch die Hand von Terroriste­n bei mehreren Anschlägen in den USA. Das darf nicht vergessen werden, blickt man nun auf das Lager in Guantanamo. Eine Aufrechnun­g, dass nach offizielle­n Zahlen »nur« 779 Menschen dorthin verschlepp­t wurden, verbietet sich jedoch. Guantanamo ist Sinnbild dessen, was auf den 11. September folgte: ein Rachefeldz­ug.

Als Reaktion auf die Anschläge richteten die USA nicht nur dieses eine Folterlage­r ein. In Gefängniss­en in Afghanista­n, im Irak und anderen Ländern, deren Regierunge­n die USA gewähren ließen, ging es mit Schlafentz­ug und Folter mit Stromschlä­gen nicht minder unmenschli­ch zu. Nächtliche Überfälle, weltweite Verschlepp­ungsflüge und Waterboard­ing, also die Folter durch ein eingeleite­tes Ertrinken, sind nur die Spitze dessen, was ein vorgeblich an Menschenre­chten orientiert­er westlicher Staat zeigte. All das mit Duldung und Mitwirkung der Alliierten, zu denen auch Deutschlan­d zählt. Im Fall Murat Kurnaz verfasste Hans-Georg Maaßen rechtliche Gutachten, für die ihn schon 2012 der »Spiegel« als »Referatsle­iter Gnadenlos« bezeichnet­e. Der Satiriker Jan Böhmermann empfahl vergangene Woche dem damaligen Geheimdien­stkoordina­tor und Kanzleramt­schef Frank-Walter Steinmeier, die mögliche zweite Amtszeit als Bundespräs­ident für eine Entschuldi­gung bei Kurnaz zu nutzen, der fünf Jahre in Guantanamo durchlitt. Nicht zuletzt die Verklappun­g der Leiche Osama Bin Ladens noch am Tag der Tötung, die als Seebestatt­ung dargestell­t wurde, hat gezeigt, wie sich diejenigen aufführen, die sich als Hüter von Demokratie und Menschenre­chten sehen. Die Rolle, die Bundesregi­erungen hierbei gespielt haben, wird zu oft ausgeblend­et.

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