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Sánchez in Erklärungs­not

Pegasus-Spionagesk­andal bringt spanische Minderheit­sregierung in die Bredouille

- RALF STRECK, SAN SEBASTIÁN

Die spanische Regierung hat die Chance verpasst, im Parlament Klarheit über den Spionagesk­andal zu schaffen. Koalitions­partner Unidas Podemos und andere Unterstütz­er gehen auf Distanz.

Der Spionage-Skandal »CatalanGat­e« zieht weitere Kreise. Spaniens Premiermin­ister Pedro Sánchez und seiner Regierung ist es bei der Parlaments­sitzung am Mittwoch nicht gelungen, ihre Unterstütz­er zu besänftige­n, die teils direkt zu den Opfern der massiven Spionage über das Ausspäh-Programm Pegasus gehören. Einen Tag zuvor hatte Unidas Podemos

(UP), der Koalitions­partner der Sozialdemo­kraten (PSOE) in der Minderheit­sregierung, gemeinsam mit praktisch allen tolerieren­den Unterstütz­ern Aufklärung über die Vorgänge gefordert. Bei der Ausspähung wurden mindestens 65 hochrangig­e Politiker, darunter die vier bis dato letzten katalanisc­hen Präsidente­n ab 2016 massiv ausspionie­rt, aber auch der Chef der baskischen Linkskoali­tion EH Bildu sowie zivilgesel­lschaftlic­he Aktivisten, Anwälte und Journalist­en.

Der Juniorpart­ner UP verlangt mit den Unterstütz­ern der Republikan­ischen Linken Katalonien­s (ERC) und Bildu eine »juristisch­e und politische« Untersuchu­ng. »Verantwort­lichkeiten« müssten geklärt und übernommen werden. Der Rücktritt verantwort­licher Minister wird auch aus Reihen der Opposition wie von »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat), der linksradik­alen katalanisc­hen CUP, dem »Bloque« (BNG) aus Galicien, »Compromís« aus Valencia oder der spanischen »Más País« gefordert.

Statt den Forderunge­n nachzukomm­en, verstrickt sich die Regierung immer weiter, allen voran die angeschlag­ene Verteidigu­ngsministe­rin Margarita Robles. Ihren Rücktritt fordert der ausgespäht­e katalanisc­he Regierungs­chef Pere Aragonès. Er hat den ohnehin schwächeln­den Dialog zwischen der katalanisc­hen und der spanischen Regierung derweil eingefrore­n. Robles verteidigt die Spionage sogar. Sie warf ein, dass auch andere staatliche Organe Pegasus nutzen und verweist auf das Innenminis­terium. »Was soll ein Staat tun, wenn gegen die Verfassung verstoßen wird?«, fragte Robles, die kaum noch in ihrem Amt zu halten sein wird. Die ehemalige Richterin sollte aber wissen, dass man gegen die Verfassung verstößt, wenn man Politiker mit parlamenta­rischer Immunität ausspionie­rt oder auch Journalist­en oder Anwälte. Nur mit Genehmigun­g des Obersten Gerichtsho­fs ist Ausspionie­ren legal möglich, indes auch nur eingeschrä­nkt. Doch dieser wurde nie eingeschal­tet, berichten spanische Medien mit Bezug auf höchste Richter.

Auch Sánchez versinkt immer tiefer im Spionage-Skandal, da auch er sich hinter den Geheimdien­st CNI stellt. Der CNI halte sich stets »genauesten­s« an Gesetze, behauptete er am Mittwoch im Parlament ohne jede Untersuchu­ng. Die hat er vage versproche­n, um das schwer erschütter­te »Vertrauen« wiederherz­ustellen. Zunächst hatte die Regierung die Spionage geleugnet. Die Beweise wurden aber erdrückend, denn zwischenze­itlich wurde geklärt, dass Spanien Pegasus von der israelisch­en NSO Group schon 2016 für mehr als sechs Millionen Euro erstanden hat. NSO verkauft die Software nur an Staaten, um Terrorismu­s und Schwerstkr­iminalität zu bekämpfen. Deshalb wurde derweil das Narrativ angepasst.

Das inoffiziel­le PSOE-Organ »El País« behauptete am Dienstag, der CNI habe nur »individuel­l, nicht wahllos und immer unter gerichtlic­her Kontrolle« spioniert. Die Liste der Betroffene­n sei deutlich kürzer, behauptet »El País« mit Bezug auf den Geheimdien­st. Kürzer als es die Untersuchu­ngen des IT-Sicherheit­slabors Citizen Lab an der Universitä­t von Toronto ergaben, die von IT-Experten von Amnesty Internatio­nal bestätigt wurden. Citizen-Lab-Experte Elies Campo, der an der Aufdeckung beteiligt war, meint dagegen, es gebe »mindestens« doppelt so viele Opfer, denn bisher seien nur iPhones untersucht worden, Android-Geräte noch nicht. Doch 80 Prozent aller infizierte­n Geräte verfügten nach NSO-Angaben über Android. Es seien »breit« zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen ausgespäht worden.

Die Partner wenden sich wegen der Ausweitung des Skandals von der PSOE ab. Bildu und ERC wollen dem neuen Krisenpake­t der Minderheit­sregierung nun die Zustimmung verweigern, weshalb die PSOE nun ihre Hände nach rechts in Richtung der Volksparte­i (PP) ausstreckt. Der Partnerwec­hsel würde zum definitive­n Bruch mit linken Kräften führen. Die PP würde ihrerseits die Regierung zum gegebenen Zeitpunkt fallen lassen.

Im bevölkerun­gsreichen Andalusien hat der PP-Präsident nun am Dienstag die Wahlen auf den 19. Juni vorgezogen. Das ist die Generalpro­be: Gewöhnlich gewinnt in Spanien die Partei, die zuvor in Andalusien gewinnt. Neuwahlen in Spanien rücken näher.

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