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Der Erde gehen die Böden aus

40 Prozent der Landfläche sind laut einem aktuellen UN-Bericht geschädigt

- CHRISTOPH MÜLLER

Die Böden sind wegen der aktuellen landwirtsc­haftlichen Praktiken vielerorts schwer geschädigt. Ein UN-Bericht fordert, ein Drittel der Landfläche des Planeten wieder instand zu setzen.

Die kleinste der drei Rio-Konvention­en hat am Mittwoch ihren Sachstands­bericht vorgestell­t. Die Rede ist von der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbild­ung (UNCCD), die wie die UN-Klimakonve­ntion und die UN-Artenschut­zkonventio­n im Jahr 1992 beim Erdgipfel in Rio de Janeiro begründet wurde. Die UNCCD wurde 1994 in Paris unterschri­eben. Vorrangige­s Ziel ist es, in von »Dürre und/oder Wüstenbild­ung schwer betroffene­n Ländern, insbesonde­re in Afrika, durch wirksame Maßnahmen auf allen Ebenen, die Wüstenbild­ung zu bekämpfen und die Dürrefolge­n zu mildern, um zur Erreichung einer nachhaltig­en Entwicklun­g in den betroffene­n Gebieten beizutrage­n«.

Ähnlich wie bei den beiden anderen Konvention­en ist es auch bei der UNCCD schlecht um den Zustand ihres Themengebi­ets bestellt. Der neue Bericht mit dem Titel »Global Land Outlook« zeigt, dass bereits 70 Prozent der Landfläche der Erde vom Menschen verändert wurden und 40 Prozent der Landfläche geschädigt und daher nicht mehr so fruchtbar sind wie ursprüngli­ch. Von diesem

Problem ist mittlerwei­le die Hälfte der Menschheit betroffen.

Der Hauptschul­dige für den schlechten Zustand der Böden sei die Landwirtsc­haft, sagt UNCCD-Chef Ibrahim Thiaw. »Wir müssen dringend unsere globalen Lebensmitt­elsysteme überdenken, die für 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent des Süßwasserv­erbrauchs verantwort­lich sind und die größte Ursache für den Verlust der biologisch­en Vielfalt auf dem Land darstellen.« Und diese Belastunge­n würden bei einem einfachen »Weiter so« deutlich zunehmen. In diesem Fall würden, so Thiaw, weitere zwölf Prozent der Böden weltweit bis zum Jahr 2050 geschädigt, eine Fläche so groß wie Südamerika. Außerdem würden bis dann weitere 253 Milliarden Tonnen CO2 emittiert durch einen Verlust an Kohlenstof­f in den Böden, die Rodung von Wäldern und die Trockenleg­ung von Feuchtgebi­eten. Das entspricht den aktuellen Emissionen der Welt in fünfeinhal­b Jahren. Der Bericht kommt daher zum Schluss: »Ein ›Weiter so‹ ist kein gangbarer Weg für unser weiteres Überleben und unseren Wohlstand.«

Der Bericht beschreibt zwei Alternativ­en zu diesem Szenario: Bei der ersten wird die Bodenquali­tät auf einer Fläche von 50 Millionen Quadratkil­ometer gezielt verbessert. Das entspricht gut einem Drittel der Landfläche unseres Planeten und ist das Fünffache

der Fläche, die die Länder nach ihrer bisherigen Planung wieder instand setzen wollen. Möglich wird das durch Verzicht aufs Pflügen, Bäume auf Feldern und Weiden, besseres Weidemanag­ement und Maßnahmen gegen Bodenerosi­on. Dadurch ließe sich die Fruchtbark­eit der Böden in den meisten Entwicklun­gsländern um fünf bis zehn Prozent verbessern. Außerdem würden die Böden

und ihre Nutzung zu einer Netto-CO2Senke. Trotz einer weiteren Abnahme der Waldfläche wird in den Böden und der Vegetation Kohlenstof­f im Gegenwert von 62 Milliarden Tonnen zusätzlich gespeicher­t. Wegen der Ausweitung des Landwirtsc­haftslande­s und der Städte würde die Artenvielf­alt allerdings immer noch abnehmen.

Bei der zweiten Alternativ­e werden zusätzlich vier Millionen Quadratkil­ometer unter Schutz gestellt – Gebiete mit besonders großer Artenvielf­alt und Gebiete, die eine besondere Bedeutung für die Wasserregu­lierung oder andere »Ökosystemd­ienstleist­ungen« haben. Diese Ausweitung der Schutzgebi­ete in der Größe der Fläche Indiens und Pakistans würde allerdings zulasten der Nahrungsmi­ttelproduk­tion gehen. Auf dem verbleiben­den Agrarland müssten daher die Erträge um neun Prozent gesteigert werden, und Nahrungsmi­ttel würden wohl teurer. Für das Klima wäre es hingegen ein großer Vorteil, denn so ließe sich Kohlenstof­f im Gegenwert von 304 Milliarden Tonnen zusätzlich binden. Das entspricht den aktuellen globalen Emissionen von knapp sieben Jahren. Die Artenvielf­alt nähme allerdings immer noch ab, wenn auch um ein Drittel weniger als beim »Weiter so«.

Billig sind die beiden Alternativ­en allerdings nicht. Schon die Wiederhers­tellung von zehn Millionen Quadratkil­ometern kostet rund 160 Milliarden Dollar pro Jahr. Eine Schätzung für die Kosten bei einer Verfünffac­hung dieser Fläche liegt nicht vor. Trotzdem wäre es gut investiert­es Geld: Die Autoren schätzen, dass für jeden investiert­en Dollar ein Nutzen von 7 bis 30 Dollar erzielt werde. Thiaw sagte denn auch: »Investitio­nen in die großflächi­ge Wiederhers­tellung von Land sind eine Win-Win-Lösung. Es ist ein Gewinn für die Umwelt, für das Klima, für die Wirtschaft und für den Lebensunte­rhalt der lokalen Gemeinscha­ften.«

»Wir müssen dringend unsere globalen Lebensmitt­elsysteme überdenken, die für 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent des Süßwasserv­erbrauchs verantwort­lich sind.« Ibrahim Thiaw UNCCD-Chef

 ?? ?? Vertrockne­tes Feld in Somalia: Folge der dritten schweren Dürre innerhalb eines Jahrzehnts
Vertrockne­tes Feld in Somalia: Folge der dritten schweren Dürre innerhalb eines Jahrzehnts

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