Neue Töne in der Asyldiskussion
Stefan Otto über die Akzeptanz von Fluchtgründen
»Scheinasylant« war ein Schlagwort in den 90er Jahren, das weit verbreitet war. Auch Politiker der Unionsparteien und der SPD nutzten es, um Menschen auf der Flucht ihre Gründe dafür abzusprechen. »Asylmissbrauch« ist ein anderes, das auch heute noch gebraucht wird in Diskussionen, in denen eine Abschottung Deutschlands verlangt wird. Auffallend ist dabei ein normativer Anspruch. Wenn Meinungen mehrheitsfähig sind, gelten sie beinahe als Fakten. Von Deutschland oder dem reichen Europa aus wird damit quasi festgelegt, wer flüchten darf und wer nicht, was allerdings oft die miserable Situation in afrikanischen und asiatischen Ländern verkennt.
Diese Abschottungspolitik scheint Risse zu bekommen. Die Bremer Integrationssenatorin Anja Stahmann (Grüne) forderte, dass infolge des Klimawandels auch Umweltveränderungen als Fluchtgrund anerkannt werden sollten. Sie reagiert auf Zahlen der Vereinten Nationen, die mit rund 200 Millionen Menschen bis 2050 rechnen, die klimabedingt ihre Lebensgrundlage verlieren. Der Industrienation Deutschland kommt bei der Aufnahme der Menschen eine moralische Verpflichtung zu. Hier werden nämlich viel zu viele Treibhausgase emittiert. Ziemlich unmittelbar ist also unser Lebensstil für das Leid anderer Menschen verantwortlich.