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Der Crispr-Vater, der aus der Kälte kam

- REINHARD RENNEBERG

Virginijus Šikšnys studierte organische Chemie an der Universitä­t Vilnius. Als er sein Studium 1978 abschloss, war das noch die Hauptstadt der Sowjetrepu­blik Litauen. Weiter ging es an der Moskauer Lomonossow-Universitä­t mit Enzymkinet­ik. Obwohl auch ich dort mein Diplom in Biochemie machte, haben wir uns nie persönlich am Lehrstuhl der Uni getroffen. Nach der Promotion kehrte Šikšnys in seine Heimat zurück, wo er bis 1993 am Institut für angewandte Enzymologi­e in Vilnius arbeitete.

Seit mehr als zwei Jahrzehnte­n konzentrie­rt sich seine Forschung auf sogenannte Restriktio­nsendonukl­easen. Das sind Enzyme, die gezielt DNA an ganz speziellen Stellen spalten. Seit 2007 untersucht­e Šikšnys das gerade neu entdeckte bakteriell­e CrisprCas-System. Er war unter den Ersten, die programmie­rbare DNA-Schnitte beim Cas9Protei­n nachweisen konnten.

Mit den Yoghurt-Forschern Rudolphe Barrangou und Philippe Horvath in Frankreich und den USA kam er 2012 zu grundlegen­den Erkenntnis­sen zu Crispr. Allerdings ohne die Rolle einer speziellen Variante des Erbmolekül­s RNA, der sogenannte­n tracrRNA, zu verstehen.

Im Februar reichte er mit Barrangou und Horvath einen Artikel bei führenden Zeitschrif­ten ein. Das litauische Manuskript wurde von der Zeitschrif­t »Cell« im 0815-Stil abgelehnt. Wo lag denn Litauen auf der Landkarte der Wissenscha­ft? So schickte er mit dem Mut der Verzweiflu­ng zumindest die Zusammenfa­ssung des Manuskript­s an Jennifer Doudna in den USA – einfach ins Blaue hinein. Frau Doudna las und machte in Tagund-Nacht-Arbeit vier Tage später eilig ihren Crispr-Patent-Antrag fertig … Wie sagen die Franzosen? Honni soit qui mal y pense (»Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt«). Zumindest in den USA allerdings machte patentrech­tlich ein anderer Spätgekomm­ener das Rennen: der Molekularb­iologe Feng Zhang vom Broad Institute des Massachuse­tts Institute of Technology in Cambridge, der nach Ansicht von US-Gerichten als Erster gezeigt hat, dass das Crispr-Gentechnik­verfahren

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