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Vom Hunger

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Russlands Krieg in der Ukraine lässt die Zahl der Hungernden in der Welt steigen. Denn beide Länder sind bedeutsame Weizenexpo­rteure. »Es ist ganz wichtig zu sehen, dass Putin jetzt auch mit dem Hunger sozusagen Krieg führt«, sagte kürzlich Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze. Allerdings waren bereits vor dem Krieg rund 150 Millionen Menschen mehr von Hunger bedroht als zwei Jahre zuvor, meldet das World Food Programme (WFP). Inzwischen litten weltweit über 800 Millionen Menschen an dauerhafte­r Nahrungsmi­ttelknapph­eit. Warum?

Hunger hat viele Ursachen, erklärt die US-Nichtregie­rungsorgan­isation Global Giving und listet auf: Schlechtes Wetter, Pandemien, Schädlinge, Krieg, fallende Preise für landwirtsc­haftliche Güter, steigende Nahrungsmi­ttelpreise, niedrige Löhne und Arbeitslos­igkeit. »Keine einzelne Lösung kann alle diese Probleme bewältigen.« Das ist nicht ganz richtig. Denn so divers sind die Ursachen nicht.

Interessan­terweise nennt die NGO mit Wetter, Pandemien, Schädlinge­n und Krieg als erstes Entwicklun­gen, die lediglich Einflussfa­ktoren für die nächsten beiden Punkte sind: die Preise für landwirtsc­haftliche Güter und Nahrungsmi­ttel. Nimmt man noch den letzten Punkt – niedrige Löhne und Arbeitslos­igkeit – hinzu, so wird deutlich: Nicht Naturkatas­trophen und Krieg führen zu Hunger. Die Ursache ist Geldmangel. Oder anders: Es fehlt nicht an Essen, stattdesse­n scheitert die Nahrungsau­fnahme an den Preisforde­rungen der Verkäufer.

Und die sind gewachsen, nicht erst seit dem Krieg, sondern bereits zuvor. »Die allermeist­en afrikanisc­hen Länder zum Beispiel sind rettungslo­s überschuld­et und können sich diese Preise gar nicht leisten«, so das WFP. Laut Internatio­nalem Währungsfo­nds waren bereits im Jahr 2020 über die Hälfte der ärmsten Länder der Welt am Rande der Überschuld­ung. Mit der CoronaPand­emie hat sich diese Zahl erhöht. Und derzeit führen die laufenden und anstehende­n Erhöhungen der Zinsen in den USA und der Euro-Zone dazu, dass die Schuldenla­st des Südens wächst.

Der Hunger ist also eine Geldfrage. Wie viel würde es kosten, ihn zu beseitigen? Die Schätzunge­n variieren beträchtli­ch. Laut einer jüngeren Kalkulatio­n der NGO-Gruppe Ceres2030 müssten die reicheren Länder bis zum Jahr 2030 jährlich 14 Milliarden Dollar zusätzlich aufbringen. Das entspricht etwa 1,08 Prozent dessen, was Europa und Nordamerik­a 2021 für Militär ausgegeben haben.

Aber auch in der Wirtschaft könnte man Geld auftreiben. Vielleicht bei Apple, das an unseren Apple-TV-Abos, IPad-, IPhone- und IPod-Käufen sehr gut verdient – so gut, dass es mehr Geld hat, als es für sein Geschäft braucht. Der US-Konzern hat am Freitag angekündig­t, für 80 Milliarden Dollar eigene Aktien zurückzuka­ufen, um den Hunger der Investoren nach Aktienkurs­steigerung­en zu stillen.

Stephan Kaufmann

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