Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Flüchtlinge sollen in frühere KZ-Baracke
Die Stadt Schwerte will Flüchtlinge in der ehemaligen Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald unterbringen. Asyl-Initiativen kritisieren das Vorhaben. Die Politik hält sich bedeckt. Das Innenministerium will sich nicht einmischen.
SCHWERTE Den Stacheldraht hat man schon vor Jahren durch einen blauen Metallzaun ersetzen lassen. Stehengeblieben sind aber die Baracken der ehemaligen Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in Schwerte, in dem während der NS-Zeit 700 polnische Zwangsarbeiter eingepfercht waren. Die Unterkünfte, zweckmäßige Flachbauten, hat man mittlerweile weiß angestrichen, weil das so freundlicher aussehe, heißt es. Auch ein Teil der Wachmauer, die das Gelände am äußersten Rand der Ruhrge-
„Es ist ein Unterschied,
ob in der Baracke ein Atelier oder Flüchtlinge untergebracht werden“
Birgit Naujoks
Flüchtlingsrats NRW
bietsstadt einmal umgab, ist noch erhalten. Neben der Mauer erinnert ein Mahnmal an die Verbrechen der Nationalsozialisten, die auf dem Areal begangen worden sind.
Nächste Woche sollen in die Baracken des einstigen KZ „SchwerteOst“Flüchtlinge einziehen, genauer gesagt in die früheren Unterkünfte der SS-Aufseher. So will es die Stadt Schwerte, die darin offenbar kein Problem sieht. Die Bauten seien schließlich schon öfters anderweitig genutzt worden – als Lagerhallen, Kindergarten und Ateliers. Selbst Flüchtlinge, sagt Stadtsprecher Carsten Morgenthal, seien dort vor 20 Jahren schon mal untergebracht gewesen. Darum könne man im Rathaus die Aufregung darüber nicht verstehen. Man habe derzeit auch keine Alternative zu den Baracken.
Asylverbände und Integrationsinitiativen üben massive Kritik an der Haltung der Stadt Schwerte. Die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, Birgit Naujoks, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. „Es macht einen Unterschied, ob in der Baracke ein Atelier oder Flüchtlinge untergebracht werden“, sagt sie. Man könne an so einem historisch belasteten Ort, an dem Menschen unter schlimmsten Bedingungen gefangen gehalten und ums Leben gekommen sind, keine Flüchtlinge unterbringen. Das sei nicht vertretbar. „Die Entscheidung ist darum absolut nicht in Ordnung und sollte zurückgenommen werden“, fordert Naujoks. „Was müssen die Flüchtlinge von Deutschland denken, wenn sie erfahren, dass sie in einem ehemaligen KZ untergebracht sind“, fragt sie. Das sei eine entsetzliche Vorstellung und vermittele ein völlig falsches Bild.
Die Jüdische Kultusgemeinde Groß-Dortmund, in deren Einzugsgebiet Schwerte liegt, möchte sich noch nicht zu dem Sachverhalt äußern. Auch der Dachverband in Berlin, der Zentralrat der Juden, gab gestern keine Stellungnahme ab.
Das nordrhein-westfälische Innenministerium will sich nicht in die Entscheidung der Stadt Schwerte einmischen. Ein Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD) verwies auf die kommunale Selbstverwaltung, die besagt, dass das Land in diesem Fall nicht in die Befugnisse von Kommunen eingreifen darf. „Darum wäre es vermessen von uns, den Vorgang in Schwerte in irgendeiner Form zu bewerten“, so der Sprecher.
Landesweit suchen Kommunen seit Monaten zum Teil verzweifelt nach Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge – manche bringen sie in alten Krankenhäusern, Schulen, Hotels oder Turnhallen unter. Doch ein vergleichbaret Fall wie in Schwerte ist Flüchtlingsverbänden bislang nicht bekannt. Für ähnliche Empörung sorgte nur die Unterbringung einiger Flüchtlinge in Dachau. Dort wurden die Schutzsuchenden in Sichtweite der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau vorübergehend untergebracht – ebenfalls in heruntergekommenen Baracken. „Das war pietätlos“, sagte ein Sprecher von Pro Asyl. „Wie das auch in Schwerte der Fall ist.“