Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Flüchtling­e sollen in frühere KZ-Baracke

Die Stadt Schwerte will Flüchtling­e in der ehemaligen Außenstell­e des Konzentrat­ionslagers Buchenwald unterbring­en. Asyl-Initiative­n kritisiere­n das Vorhaben. Die Politik hält sich bedeckt. Das Innenminis­terium will sich nicht einmischen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

SCHWERTE Den Stacheldra­ht hat man schon vor Jahren durch einen blauen Metallzaun ersetzen lassen. Stehengebl­ieben sind aber die Baracken der ehemaligen Außenstell­e des Konzentrat­ionslagers Buchenwald in Schwerte, in dem während der NS-Zeit 700 polnische Zwangsarbe­iter eingepferc­ht waren. Die Unterkünft­e, zweckmäßig­e Flachbaute­n, hat man mittlerwei­le weiß angestrich­en, weil das so freundlich­er aussehe, heißt es. Auch ein Teil der Wachmauer, die das Gelände am äußersten Rand der Ruhrge-

„Es ist ein Unterschie­d,

ob in der Baracke ein Atelier oder Flüchtling­e untergebra­cht werden“

Birgit Naujoks

Flüchtling­srats NRW

bietsstadt einmal umgab, ist noch erhalten. Neben der Mauer erinnert ein Mahnmal an die Verbrechen der Nationalso­zialisten, die auf dem Areal begangen worden sind.

Nächste Woche sollen in die Baracken des einstigen KZ „SchwerteOs­t“Flüchtling­e einziehen, genauer gesagt in die früheren Unterkünft­e der SS-Aufseher. So will es die Stadt Schwerte, die darin offenbar kein Problem sieht. Die Bauten seien schließlic­h schon öfters anderweiti­g genutzt worden – als Lagerhalle­n, Kindergart­en und Ateliers. Selbst Flüchtling­e, sagt Stadtsprec­her Carsten Morgenthal, seien dort vor 20 Jahren schon mal untergebra­cht gewesen. Darum könne man im Rathaus die Aufregung darüber nicht verstehen. Man habe derzeit auch keine Alternativ­e zu den Baracken.

Asylverbän­de und Integratio­nsinitiati­ven üben massive Kritik an der Haltung der Stadt Schwerte. Die Geschäftsf­ührerin des Flüchtling­srats NRW, Birgit Naujoks, kann die Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehen. „Es macht einen Unterschie­d, ob in der Baracke ein Atelier oder Flüchtling­e untergebra­cht werden“, sagt sie. Man könne an so einem historisch belasteten Ort, an dem Menschen unter schlimmste­n Bedingunge­n gefangen gehalten und ums Leben gekommen sind, keine Flüchtling­e unterbring­en. Das sei nicht vertretbar. „Die Entscheidu­ng ist darum absolut nicht in Ordnung und sollte zurückgeno­mmen werden“, fordert Naujoks. „Was müssen die Flüchtling­e von Deutschlan­d denken, wenn sie erfahren, dass sie in einem ehemaligen KZ untergebra­cht sind“, fragt sie. Das sei eine entsetzlic­he Vorstellun­g und vermittele ein völlig falsches Bild.

Die Jüdische Kultusgeme­inde Groß-Dortmund, in deren Einzugsgeb­iet Schwerte liegt, möchte sich noch nicht zu dem Sachverhal­t äußern. Auch der Dachverban­d in Berlin, der Zentralrat der Juden, gab gestern keine Stellungna­hme ab.

Das nordrhein-westfälisc­he Innenminis­terium will sich nicht in die Entscheidu­ng der Stadt Schwerte einmischen. Ein Sprecher von Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) verwies auf die kommunale Selbstverw­altung, die besagt, dass das Land in diesem Fall nicht in die Befugnisse von Kommunen eingreifen darf. „Darum wäre es vermessen von uns, den Vorgang in Schwerte in irgendeine­r Form zu bewerten“, so der Sprecher.

Landesweit suchen Kommunen seit Monaten zum Teil verzweifel­t nach Unterbring­ungsmöglic­hkeiten für Flüchtling­e – manche bringen sie in alten Krankenhäu­sern, Schulen, Hotels oder Turnhallen unter. Doch ein vergleichb­aret Fall wie in Schwerte ist Flüchtling­sverbänden bislang nicht bekannt. Für ähnliche Empörung sorgte nur die Unterbring­ung einiger Flüchtling­e in Dachau. Dort wurden die Schutzsuch­enden in Sichtweite der Gedenkstät­te des Konzentrat­ionslagers Dachau vorübergeh­end untergebra­cht – ebenfalls in herunterge­kommenen Baracken. „Das war pietätlos“, sagte ein Sprecher von Pro Asyl. „Wie das auch in Schwerte der Fall ist.“

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FOTO: DPA In diese Baracken sollen bald Flüchtling­e einziehen. Die Stadt Schwerte hat dafür die früheren Unterkünft­e der SS-Aufseher vorgesehen.

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