Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Legt sich Hannelore Kraft mit den Grünen an?

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Morgen wird es rappelvoll im Presseraum des Landtags. So mancher Journalist wird deshalb beizeiten ein „Handtuch“auslegen – in diesem Fall ein Blatt Papier mit dem Namen seines Mediums, auf dass kein anderer auf diesem Stuhl Platz nehme. Die Vorsichtsm­aßnahme wird zwar belächelt, ist aber verständli­ch: Pressekonf­erenzen von Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft zum Jahresauft­akt können gut und gerne eine Stunde dauern. Wer steht schon gern so lange, zumal wenn er sich Notizen machen muss?

Man darf gespannt sein, welche Botschaft Kraft morgen mitbringt.

Die SPD-Ministerpr­äsidentin und ihre Stellvertr­eterin von den Grünen wollen morgen das Regierungs­programm für 2015 erläutern. Überraschu­ngen nicht ausgeschlo­ssen.

In letzter Zeit hatte sie mit ihrer Regierungs­mannschaft keinen guten Lauf. Die Misshandlu­ngen von Flüchtling­en in NRW, die gravierend­e Missstände bei der Unterbring­ung der Asylbewerb­er offenbarte­n, gehören zu den Schattense­iten im abgelaufen­en Jahr. Auch die Haushaltss­perre mit dem lächerlich­en Bewirtungs­stopp für Besucher hat dem Ansehen der Regierung geschadet. Die mit einer Schamfrist von einem halben Jahr nach der Kommunalwa­hl verkündete Heraufsetz­ungderGrun­derwerbste­uer steht im Widerspruc­h zu der Beteuerung von Rot-Grün, junge Familien unterstütz­en zu wollen. Gerade sie sind von der Verteuerun­g der Immobilien hart getroffen. Hinzu kommt, dass sich Kraft mit ihrer Ausrede, sie sei im Sommer wegen eines Funklochs eine Woche lang nicht erreichbar gewesen, selbst arg geschadet hat.

All das wird Kraft morgen gewiss hinter sich lassen wollen. Spannend wird sein, ob und wie sie sich zu den umstritten­en Vorhaben wie Tariftreue­gesetz und Klimaschut­zplan stellen wird, an denen das Herz der Grünen hängt. Ihr wird nicht entgangen sein, dass ihr Herausford­erer bei der Landtagswa­hl im übernächst­en Jahr, CDU-Chef Armin Laschet, massiv mit dem Wirtschaft­s- thema punkten will. Doch kann Kraft Zugeständn­isse an Mittelstan­d und Industrie, die die Regierungs­vorhaben attackiere­n, riskieren? Das könnte erhebliche Irritation­en beim Koalitions­partner auslösen.

Krafts Stellvertr­eterin, Sylvia Löhrmann, ist morgen an ihrer Seite. In Düsseldorf erinnert man sich noch gut daran, dass die Grüne es war, die Kraft 2010 geradezu bedrängt hat, eine Minderheit­sregierung zu wagen. Kaum vorstellba­r, dass sich Kraft jetzt mit den Grünen anlegt. Oder tut sie es doch? Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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