Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Präsident Gauck: „Wir schenken Euch nicht unsere Angst“

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Das Brandenbur­ger Tor leuchtet in den Farben der französisc­hen Nation. Blau, weiß und rot wie die Trikolore ist es angestrahl­t. Der Zentralrat der Muslime, der eigentlich nur ein Viertel aller Muslime in Deutschlan­d vertritt, hatte zu der Gedenkvera­nstaltung aufgerufen. Die beiden christlich­en Kirchen und die Juden sagten zu. Auch die Muslime untereinan­der begruben ihre Rivalitäte­n. Gleiches gilt für das Gerangel in der großen Koalition um das Gedenken. Alle miteinande­r demonstrie­rten Einigkeit gegen den Terror. Das war auch die Botschaft von Bundespräs­ident Joachim Gauck, der bei der Mahnwache auf dem Pariser Platz. Er verurteilt­e die „Bluttaten von Paris“als „Anschlag auf das freie Wort, auf die pluralisti­sche Gesellscha­ft, auf das Recht auf Leben“. Den Terroriste­n hielt er jenen Satz entgegen, den er zu Beginn seiner Amtszeit auch den Rechtsextr­emen vorgehalte­n hatte: „Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn.“

Vor Gauck sprachen die Vertreter aller drei großen Kirchen. „Wir werden es nicht zulassen, dass unser Glaube missbrauch­t wird. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellscha­ft von Extremiste­n, die nur das Ziel haben, Hass und Zwietracht zu stiften, auseinande­rgerissen wird“, sagte Aiman Mazyek, Vorsitzend­er des Zentralrat­s der Muslime. Der Vizepräsid­ent des Zentralrat­s der Juden, Abraham Lehrer, sprach über den wachsenden Antisemiti­smus in Europa und über die zunehmende Radikalisi­erung des Islams auf der Welt. Er rief die Muslime dazu auf, „gegen diesen Terror“vorzugehen. „Nehmen Sie unsere Gefühle als Seismograp­hen. Denn wenn Juden bedroht sind, sind wir alle bedroht“, sagte er. Die Vertreter der christlich­en Kir- chen solidarisi­erten sich mit den Opfern in Frankreich. „Was in Paris passiert ist, rüttelt uns auf“, sagte der evangelisc­he Bischof Markus Dröge. Die Kirchenver­treter sprachen den fundamenta­listischen Gewalttäte­rn ernste Religiosit­ät ab. „Echter Glaube an Gott führt zum Frieden und zur Überwindun­g von Spaltung“, sagte Dröge.

Einige Tausend Menschen hatten sich auf dem Pariser Platz vor dem Brandenbur­ger Tor versammelt. Das Kabinett war mit Kanzlerin Angela Merkel und ihren Ministern nahezu vollzählig vertreten. Die Fraktionen im Bundestag hatten ihre Sitzungen pünktlich beendet. Die SPD-Fraktion zog gegen 17 Uhr kamerataug­lich geschlosse­n vom Osteingang des Reichstags zum Pariser Platz. Die Abgeordnet­en trugen brennende Windlichte­r mit dem Aufdruck „Je suis Charlie“. Das Gedenken ist eben auch eine Vermarktun­gsmaschine.

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