Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

RWI-Präsident: Rente mit 63 privilegie­rt die Privilegie­rten

- VON ANTJE HÖNING

DUISBURG Geopolitis­che Risiken wie Russland-, Ukraine- und Euro-Krise machen der deutschen Wirtschaft weiter zu schaffen. Zum Jahresende hat das Bruttosozi­alprodukt stagniert, 2015 werde es voraussich­tlich nur um ein Prozent wachsen, sagte Christoph Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälisc­hen Instituts für Wirtschaft­sforschung (RWI) und Chef der Wirtschaft­sweisen, gestern beim Neujahrsem­pfang der Industrie- und Handelskam­mer Niederrhei­n (IHK), zu dem hunderte Unternehme­r und Manager nach Duisburg gekommen waren.

Schmidt warnte jedoch, auf die die wirtschaft­liche Flaute mit Aktionismu­s zu reagieren. Für eine „pathologis­che Schwäche“bei den privaten Investitio­nen („Investitio­nslücke“), die es wirtschaft­spolitisch zu kurieren gelte, gebe es keine An- haltspunkt­e. Stattdesse­n sollte der Staat die Rahmenbedi­ngungen für Investitio­nen und Innovation­en verbessern. Die Bundesregi­erung ist jedoch genau in anderer Richtung unterwegs. Sie baue mit dem Mindestloh­n am Arbeitsmar­kt neue Hürden auf und belaste die sozialen Sicherungs­systeme durch Mütterrent­e und Rente mit 63 weiter, kritisiert­e der Wirtschaft­sweise. „Die Rente mit 63 privilegie­rt die ohnehin schon privilegie­rten Facharbeit­er.“Ein Mittel gegen Altersarmu­t sei sie gerade nicht.

Auch für mehr Umverteilu­ng sieht Schmidt keinen Anlass. Im internatio­nalen Vergleich zeichne sich Deutschlan­d ohnehin durch große Umverteilu­ng aus. Die Einkommens-Ungleichhe­it in Deutschlan­d habe seit den 90er Jahren zwar zugenommen. Doch seit den Arbeitsmar­ktreformen 2005, die die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder eingeführt hatte, bleibe die Verteilung stabil. „Hartz IV war sozial, weil es vielen Geringqual­ifizierten den Weg zurück in den Arbeitsmar­kt geebnet hat“, sagte Schmidt.

Bessere Rahmenbedi­ngungen statt mehr Umverteilu­ng wünschen sich auch die Unternehme­n. „Die Wirtschaft am Niederrhei­n ist gut in Form, die Konjunktur läuft gut“, meinte IHK-Präsident Burkhard Landers. „Doch die hohen Energiekos­ten und die maroden Straßen, Brücken und Schleusen werden gerade für unsere Logistik-Region zum wirtschaft­lichen Risiko-Faktor.“

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FOTO: REICHWEIN Burkhard Landers, Präsident der IHK Niederrhei­n, und Christoph Schmidt, Wirtschaft­sweiser (r.)

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