Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Ronaldisierung des Weltfußballs
DÜSSELDORF Es gab drei große Überraschungen bei der Fifa-Wahl zum Weltfußballer des Jahres 2014. Die erste: Zlatan Ibrahimovic hat sich nicht selbst gewählt, sondern für Lionel Messi gestimmt, den er zu gemeinsamen Zeiten in Barcelona als Zwerg bezeichnete und an dessen Hausmacht der Schwede einst scheiterte.
Die zweite: Messi landete trotz für seine Verhältnisse häufig sehr mü- den Vorstellungen vor dem deutschen Torwart Manuel Neuer, der nichts weniger getan hatte, als das Spiel des Schlussmanns neu zu erfinden und Weltmeister zu werden.
Die dritte: Cristiano Ronaldo hatte einen deutlichen Vorsprung vor seinen beiden Mitbewerbern, obwohl er sich nicht selbst wählte und trotz großer Leistungen im Verein bei der WM keinen Eintrag ins Geschichtsbuch verdiente.
Es ist keine Überraschung, dass sich in der Welt niemand so recht über das Ergebnis aufregt, während ganz Deutschland geradezu tobt, weil Glamour und erhöhte Aufmerksamkeitswerte außerhalb des Rasens mindestens so wichtig waren wie fußballerische Auftritte. Wahrscheinlich waren Glamour und Außendarstellung wichtiger.
Die deutsche Aufregung wird auf dem Globus nicht geteilt, weil die Fußballwelt sich offenbar mit dieser Gewichtung angefreundet hat. Und es ist schon bemerkenswert, dass hier keine Fans und Abonnenten besonders bunter Blättchen abgestimmt haben, sondern Menschen, die im Rang von Fachleuten stehen. Bei den Kapitänen der Fifa-Mitgliedsverbände fiel die Wahl ebenso deutlich für die portugiesische Werbefolie Ronaldo aus wie bei den Trainern. Nur bei den Deutschen unter den Nationalelf-Betreuern machte Neuer die meisten Punkte.
Die Abstimmung aller anderen nährt den Verdacht, dass die Ronaldisierung des Weltfußballs nicht nur in der Außenbetrachtung, son- dern auch in der Innenansicht weit fortgeschritten ist. Das passt in eine Zeit, in der die Gleichsetzung der professionellen Leibesübungen mit einem herkömmlichen Sportbegriff ein Missverständnis ist.
Es geht auch den Hauptdarstellern im Unterhaltungs-Zirkus Fußball nicht mehr vorrangig um die Frage, wer die nachhaltigste Leistung abliefert, sondern darum, wer eine nachhaltige Leistung am besten verkauft. Dass Ronaldo in seinem besten Vereinsjahr nachhaltige Leistungen geboten hat, ist ja nicht mal dann zu bestreiten, wenn man seine begleitenden Mätzchen zum Würgen findet. Sie bilden aber erst die Marke Ronaldo.
Für Zeitgenossen, die ohne grellen öffentlichen Auftritt daherkommen wie ein normaler Mensch, ist an der Spitze der Rangliste auf absehbare Zeit kein Platz. Manuel Neuer kann sich mit dem wichtigeren Titel trösten. Ein moderner Fußballer wie Cristiano Ronaldo wird er nicht. Und das ist schön.