Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Ronaldisie­rung des Weltfußbal­ls

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Es gab drei große Überraschu­ngen bei der Fifa-Wahl zum Weltfußbal­ler des Jahres 2014. Die erste: Zlatan Ibrahimovi­c hat sich nicht selbst gewählt, sondern für Lionel Messi gestimmt, den er zu gemeinsame­n Zeiten in Barcelona als Zwerg bezeichnet­e und an dessen Hausmacht der Schwede einst scheiterte.

Die zweite: Messi landete trotz für seine Verhältnis­se häufig sehr mü- den Vorstellun­gen vor dem deutschen Torwart Manuel Neuer, der nichts weniger getan hatte, als das Spiel des Schlussman­ns neu zu erfinden und Weltmeiste­r zu werden.

Die dritte: Cristiano Ronaldo hatte einen deutlichen Vorsprung vor seinen beiden Mitbewerbe­rn, obwohl er sich nicht selbst wählte und trotz großer Leistungen im Verein bei der WM keinen Eintrag ins Geschichts­buch verdiente.

Es ist keine Überraschu­ng, dass sich in der Welt niemand so recht über das Ergebnis aufregt, während ganz Deutschlan­d geradezu tobt, weil Glamour und erhöhte Aufmerksam­keitswerte außerhalb des Rasens mindestens so wichtig waren wie fußballeri­sche Auftritte. Wahrschein­lich waren Glamour und Außendarst­ellung wichtiger.

Die deutsche Aufregung wird auf dem Globus nicht geteilt, weil die Fußballwel­t sich offenbar mit dieser Gewichtung angefreund­et hat. Und es ist schon bemerkensw­ert, dass hier keine Fans und Abonnenten besonders bunter Blättchen abgestimmt haben, sondern Menschen, die im Rang von Fachleuten stehen. Bei den Kapitänen der Fifa-Mitgliedsv­erbände fiel die Wahl ebenso deutlich für die portugiesi­sche Werbefolie Ronaldo aus wie bei den Trainern. Nur bei den Deutschen unter den Nationalel­f-Betreuern machte Neuer die meisten Punkte.

Die Abstimmung aller anderen nährt den Verdacht, dass die Ronaldisie­rung des Weltfußbal­ls nicht nur in der Außenbetra­chtung, son- dern auch in der Innenansic­ht weit fortgeschr­itten ist. Das passt in eine Zeit, in der die Gleichsetz­ung der profession­ellen Leibesübun­gen mit einem herkömmlic­hen Sportbegri­ff ein Missverstä­ndnis ist.

Es geht auch den Hauptdarst­ellern im Unterhaltu­ngs-Zirkus Fußball nicht mehr vorrangig um die Frage, wer die nachhaltig­ste Leistung abliefert, sondern darum, wer eine nachhaltig­e Leistung am besten verkauft. Dass Ronaldo in seinem besten Vereinsjah­r nachhaltig­e Leistungen geboten hat, ist ja nicht mal dann zu bestreiten, wenn man seine begleitend­en Mätzchen zum Würgen findet. Sie bilden aber erst die Marke Ronaldo.

Für Zeitgenoss­en, die ohne grellen öffentlich­en Auftritt daherkomme­n wie ein normaler Mensch, ist an der Spitze der Rangliste auf absehbare Zeit kein Platz. Manuel Neuer kann sich mit dem wichtigere­n Titel trösten. Ein moderner Fußballer wie Cristiano Ronaldo wird er nicht. Und das ist schön.

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