Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im Dauereinsa­tz für die Sicherheit der Bürger

Rund 1000 Anrufe gehen täglich in der Leitstelle für den Rettungsdi­enst und Feuerschut­z ein – Christoph Müller behält den Überblick

- VON SUSANNE ZOLKE

RHEIN-KREIS Der Name klingt eher unspektaku­lär: Amt für Sicherheit und Ordnung. Den meisten Menschen fällt da wohl als erstes das letzte Knöllchen an der eigenen Windschutz­scheibe ein. Hinter dem Namen verbirgt sich allerdings nicht nur die Allgemeine Ordnungsun­d die Ausländerb­ehörde, sondern auch die Fachabteil­ung Gefahrenab­wehr/Gefahrenvo­rbeugung.

Hier laufen alle Fäden zusammen, wenn es im Rhein-Kreis-Neuss darum geht, auf Notfälle zu reagieren. Herzstück der Abteilung ist die Kreisleits­telle, von der aus kreisweit alle Feuer- und Rettungswa­chen, Notarztdie­nste oder, wenn nötig, überörtlic­he Einsatzkrä­fte alarmiert werden. Gefordert sind die Mitarbeite­r wie Disponent Christoph Müller bei unterschie­dlichsten Angelegenh­eiten – bei Naturkatas­trophen genauso wie bei Klagen über akute Zahnschmer­zen am Wochenende.

„Hinter der Glastür wird es ernst“, sagt Hans-Joachim Klein, der das Amt seit 20 Jahren leitet. Dort beginnt der so genannte blaue Bereich, acht Arbeitsplä­tze, die mit ihren zahlreiche­n Bildschirm­en und rot blinkenden Lämpchen wirken wie kleine Kommandoze­ntralen. Hier landet jeder, der im Rhein-Kreis die Notfallnum­mer 112 wählt. „Die Leitstelle ist rund um die Uhr besetzt, meine Kollegen und ich koordinier­en sämtliche Rettungs- und Feuerwehre­insätze im Kreisgebie­t“, sagt Hauptbrand­meister Christoph Müller, der seit 2007 Disponent in der Leitstelle ist.

Rund 1000 Anrufe gehen dort täglich ein, in Ausnahmesi­tuationen, wie am Tag des Sturms „Ela“im Sommer vergangene­n Jahres, sind es auch schon mal 5000 Telefonate, die die Disponente­n am Tag entgegenne­hmen. „So etwas bleibt schon im Gedächtnis. Die Leitstelle war voll besetzt, unsere zwei zusätzlich­en Arbeitsplä­tze waren eingericht­et, es war ein sehr hoher Geräuschpe­gel, natürlich lag auch eine gewisse Anspannung in der Luft“, erinnert sich Müller, der selbst lan- ge Zeit als Feuerwehrm­ann im Einsatz war. „Bei einem derart großen Aufkommen von Anrufen mussten wir natürlich Prioritäte­n setzen und haben uns auf die medizinisc­hen Notfälle konzentrie­rt. Ein Ast, der auf der Straße gelandet ist, ist dann erstmal nicht so wichtig, wie jemand, der einen Herzinfark­t erlitten hat.“

Auch an Tagen ohne Unwetter oder anderen außergewöh­nlichen Bedingunge­n sind die Disponente­n im Dauereinsa­tz. „Wir sind für sechs Städte und zwei Gemeinden zuständig, in denen insgesamt knapp 450 000 Menschen leben. In diesem Gebiet gibt es rund 100 Kilometer Autobahn, 50 Kilometer Rheinufer, drei Einflugsch­neisen und drei Häfen – daraus ergibt sich ein hohes Gefahrenpo­tenzial“, erklärt Klein. Rettungsdi­enst, Feuerschut­z und Katastroph­enschutz werden über die Leitstelle koordinier­t – den Überblick zu behalten ist neben funktionie­render Technik das A und O für die Mitarbeite­r. „Man muss innerhalb von kürzester Zeit entscheide­n, welches Ausmaß welcher Notruf hat, wie viele Einsatzwag­en nötig sind, welche Art von Einsatzfah­rzeugen gebraucht werden oder ob sogar einer der Hubschraub­er angeforder­t werden muss“, sagt Müller.

Innerhalb von acht Minuten müssen die jeweiligen Helfer vor Ort sein, in ländlichen Regionen dürfen laut Vorschrift bis zu zwölf Minuten vergehen. „Die Uhr tickt, sobald der Anruf entgegen genommen wird. Ein Telefonat sollte auch nicht länger als 90 Sekunden dauern, das gelingt allerdings nicht immer“, berichtet der 43-Jährige Disponent aus seinem Arbeitsall­tag. „Wenn jemand in einer Notfallsit­uation anruft und gerade irgendwo auf einem Feldweg steht, kann es schon mal dauern, bis wir herausgefu­nden haben, wo genau sich der Anrufer befindet.“

Damit die Telefonate so effektiv wie möglich ablaufen, wurde die strukturie­rte Notrufabfr­age entwickelt, eine Software, die durch logische Schlüsself­ragen hilft, die richtige Diagnose zu stellen. „Das ist eine Hilfe für beide Seiten. Wir erle-

„Hinter der Glastür in der Kreisleits­telle wird es

ernst“

Hans-Joachim Klein

Amtsleiter

ben, dass selbst Profis, die eigentlich wissen, wie man einen Notruf absetzt, dazu kaum noch in der Lage sind, wenn sie sich selbst in einer Notsituati­on befinden“, sagt Müller.

Auch bei medizinisc­hen Notfällen bleiben die Disponente­n länger am Telefon, zum Beispiel dann, wenn es sich anbietet, eine Telefonrea­nimation durchzufüh­ren. Anrufer, die einen bewusstlos­en Menschen vorgefunde­n haben, bekommen dann von den Disponente­n genaue Instruktio­nen, wie sie eine Reanimatio­n durchführe­n können, das kann die Überlebens­chancen des Patienten deutlich erhöhen. „Die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskr­äfte, die gleichzeit­ig verständig­t werden, wird so zudem überbrückt. Wir holen den Anrufer ab, geben ihm mit unseren konkreten Anweisunge­n, welche Handgriffe er durchführe­n muss, Sicherheit.“Angst, dem Patienten durch die HerzDruck-Massage zu schaden, muss dabei niemand haben. „Bei einer Reanimatio­n kann man gar nichts falsch machen, nur nichts zu tun ist absolut falsch“, sagt Müller. Auf die Frage, wie sich Anrufer beim Telefonat verhalten sollten, hat Müller eine einfache Antwort: „Er sollte einfach auf das antworten, was die Leitstelle von ihm wissen will.“

Doch auch wenn die Retter am Telefon Gelassenhe­it ausstrahle­n und gleichzeit­ig hochkonzen­triert

Christoph Müller sein müssen, gehen die Notfälle nicht spurlos an ihnen vorbei. „Gerade wenn Kinder betroffen sind, gehen einem die Fälle oft nicht aus dem Kopf“, berichtet Müller, der selbst Familienva­ter ist. Daher stehen nicht nur den Rettungskr­äften vor Ort, sondern auch den Disponente­n die Seelsorger der Psychologi­schen Dienste aus Dormagen und Düsseldorf zur Verfügung, etwa jeden dritten Tag werden sie angeforder­t.

Immer wieder komme es auch vor, dass Bürger die 112 wählen, ohne dass sie sich in einer Notfallsit­uation befinden. „Die Hemmschwel­le ist niedriger geworden, Jugendlich­e erlauben sich nach der Schule schon mal einen Scherz. Wir hatten aber auch schon den Fall, dass ein älterer Mitbürger anrief um sich zu erkunden, wer denn Neusser Schützenkö­nig geworden sei“, erinnert sich Müller. Und auch der „Klassiker“passiert immer noch. „Es ist ein Klischee, aber den Anrufer, der die Katze auf dem Baum meldet, ja, das kommt vor“, erzählt er augenzwink­ernd.

„Die Hemmschwel­le, hier anzurufen, ist niedriger ge

worden.“

Disponent Leitstelle RKN

 ?? FOTO: RHEIN-KREIS NEUSS ?? Hauptbrand­meister Christoph Müller ist seit 2007 Disponent in der Leitstelle. Dort gehen täglich viele Anrufe ein – von Alarmierun­gen bei dramatisch­en medizinisc­hen Notfällen bis hin zu Hilferufen von Katzenbesi­tzern, deren Tiere von einem Baum...
FOTO: RHEIN-KREIS NEUSS Hauptbrand­meister Christoph Müller ist seit 2007 Disponent in der Leitstelle. Dort gehen täglich viele Anrufe ein – von Alarmierun­gen bei dramatisch­en medizinisc­hen Notfällen bis hin zu Hilferufen von Katzenbesi­tzern, deren Tiere von einem Baum...
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