Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Chefermitt­ler aus Düsseldorf

Bei Christoph Kumpa laufen die Fäden der Untersuchu­ng zusammen.

- VON WULF KANNEGIESS­ER UND DENISA RICHTERS

DÜSSELDORF Mord und Totschlag, Brandstift­er, Rockerszen­e – Christoph Kumpa hat schon viel erlebt in seinen weit über 20 Jahren als Staatsanwa­lt. Doch was er und seine Kollegen seit einer Woche mitmachen, gab es so noch nie. „Ich habe noch nie erlebt, dass sich meine Eltern bei mir gemeldet haben, weil ihre Privatsphä­re in so massiver Weise verletzt worden ist, dass es nicht mehr akzeptabel war.“Ein angebliche­r Journalist hatte Kumpas Eltern angerufen, um an weitere Informatio­nen zu den Ursachen des Absturzes der Germanwing­s-Maschine am 24. März zu kommen.

Schnell war klar: Bei diesem Unglück, bei dem 150 Menschen starben, das mehrere Nationen und Bundesländ­er betrifft, das vermutlich der Copilot Andreas L. herbeigefü­hrt hat, ist in NRW eine zentrale Ermittlung­sbehörde nötig. Als Anlaufstel­le für die Ermittler aus Frankreich, für die Anwälte der Hinterblie­benen und Vertreter der Fluggesell­schaft. Kumpa koordinier­te das einen Tag nach dem Absturz mit seinen Kollegen im ganzen Land, mit Generalsta­atsanwälte­n und dem Justizmini­ster. Seitdem ist seine Behörde die Anlaufstel­le für die Welt: Zu spektakulä­r ist dieser Fall, zu wegweisend für die globale Luft- fahrt. Aus den USA, arabischen Ländern, Australien und Asien rufen Journalist­en an. Manchmal muss Kumpa das Telefon ausstöpsel­n, um überhaupt arbeiten zu können.

Die Arbeit des Dezernente­n für Kapitalstr­afsachen und seiner Kollegen läuft auf zwei Ebenen: Zum einen müssen DNA-Daten gesammelt werden, um sie in Frankreich zur Identifizi­erung der Opfer einzusetze­n. Der zweite Strang gilt der Absturzurs­ache und den zentralen Fragen: Wie ist es dazu gekommen? War es ein Suizid des Copiloten? Vieles deutet darauf hin, bewiesen ist es noch nicht. Nicht alle Zeugen aus dem privaten und berufliche­n Umfeld von L. sind befragt, die Auswertung der Beweismitt­el, die auch Krankenakt­en umfassen, ist nicht abgeschlos­sen. Täglich treffen neue ein – auch Dutzende E-Mails mit teils kruden Verschwöru­ngstheorie­n. Doch auch die muss Kumpa durchschau­en, es könnte ja eine wichtige Informatio­n dabei sein.

Aus dem Gerichtsal­ltag ist Kumpa als maßvoll, vernünftig und geradlinig bekannt; er gilt als Freund des offenen Wortes. So sah er im Mordfall Susanne Lucan kaum reelle Chancen, den Ex-Freund der jungen Frau, die an ihrem 27. Geburtstag in ihrer Wohnung erschlagen worden war, anhand der aktuellen Beweislage als Täter zu überführen. Mehrfach ließ der 50-Jährige SpurenGuta­chten zu diesem Fall erstellen, um den Lucan-Mord doch noch aufzukläre­n. Das Schwurgeri­cht konnte er damit nicht überzeugen – der Ex-Freund des Opfers wurde mangels Beweisen, Kumpas Antrag folgend, freigespro­chen. Zuständig war Kumpa auch für den Amoklauf eines 49-jährigen Kochs aus China, der 2014 aus Wut über angeblich schlechte Rechtsbera­tungen in zwei Anwaltskan­zleien in Düsseldorf und in Erkrath ein Blutbad angerichte­t hatte. Wegen Dreifachmo­rdes wurde der Angeklagte zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Und nach Ermittlung­en rund um die Hells Angels oder Bandidos hat der Staatsanwa­lt auch in dieser Szene einen Namen: Ein Rockerpräs­ident soll seinem neuen Hund den Namen „Kumpa“gegeben haben.

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FOTO: DPA Christoph Kumpa (50) muss derzeit viele Fragen beantworte­n.

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