Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bye-Bye Bussi-Bussi

Im Alter von 70 Jahren ist der Regisseur Helmut Dietl gestorben. Er litt an Lungenkreb­s. Mit seinen brillanten Satiren über die Münchner Schickeria und Figuren wie „Monaco Franze“hat er Fernsehges­chichte geschriebe­n.

- VON DOROTHEE KRINGS

MÜNCHEN Er hat von den Reichen und den Schönen erzählt – aber vor allem von denen, die dazugehöre­n wollen und gar nicht merken, wie lächerlich sie das macht. Möchtegern-Casanovas, pomadige Filmproduz­enten, Boulevard-Journalist­en, verzweifel­te Schauspiel­erinnen, das war sein Personal. Und ob er nun „Monaco Franze“in all seiner schmierige­n Eleganz auf die Piste schickte oder im Münchner Edellokal „Rossini“die Schickeria beim Intrigiere­n beobachtet­e oder in „Kir Royal“die Arbeit der Münchner Abendzeitu­ng persiflier­te – Helmut Dietl war teilnehmen­der Beobachter der BussiBussi-Republik. Gestern ist der elegante Satiriker, der die Gesellscha­ft spiegeln konnte, ohne dass das je bieder oder belehrend geworden wäre, in München gestorben.

Helmut Dietl, 1944 im bayerische­n Bad Wiessee geboren, hat Theaterwis­senschaft und Kunstgesch­ichte studiert, hat als Aufnahmele­iter beim Fernsehen gearbeitet, ist dann als Regieassis­tent an die Münchner Kammerspie­le gegangen. Das waren die Jahre des Sammelns. Er hat sich in den Kreisen bewegt, die er später porträtier­en sollte, er war Teil der Schickeria und durchschau­te sie doch ganz. Das hat seinen Fernsehfil­men die Wahrhaftig­keit gegeben, die Persiflage­n erst bissig machen. Er kannte sich aus. Aber er kannte kein Pardon, keine falsche Rücksichtn­ahme.

Doch so schonungsl­os er war, wenn er die Mechanisme­n des Emporkomme­ns, die Spielchen des Ehrgeizes und der Eitelkeit in Szene setzte, Helmut Dietl hat Figuren wie den ewigen Stenz „Monaco Franze“oder den Klatschrep­orter „Baby Schimmerlo­s“nie hämisch behandelt. Dafür mochte er sie viel zu sehr. Im letzten Interview, das Dietl gegeben hat, als die Ärzte ihm bereits gesagt hatten, dass der Lungenkreb­s ihm nur noch wenige Mo- nate Lebenszeit lassen würde, erzählte er, dass er seine eigenen Fernsehser­ien später nur noch selten angeschaut hat. Weil er ein Pedant war, wie alle guten Komiker. Einer, dem jedes Detail etwa in der Ausstattun­g eine ganze Welt bedeutete. Und so ist das ja auch.

Er wollte sich nicht ärgern über irgendeine Kameraeins­tellung oder einen Gegenstand, der womöglich nicht ins Bild passte. Doch „Monaco Franze“, die Serie über den Kommissar und lässigen Lebemann, die hat er noch mal gesehen. „Ich kann Ihnen auch sagen, warum“, verriet er damals der „Zeit“, „ich habe diese Serie aus Liebe gemacht. Aus Liebe zu der Figur, zu diesem Milieu, auch zu München natürlich. Nicht ohne Grund ist das Ganze in Los Angeles entstanden, wo ich von 1979 bis 1983 gelebt habe. Ich habe den Monaco Franze quasi aus Heimweh erfunden.“

Gespielt wurde dieser Charmeur und dilettanti­sche Draufgänge­r von Helmut Fischer. Er hat diese Figur einfach aus sich geschöpft und war darin unvergleic­hlich. Dietl hatte diesen Instinkt für Schauspiel­er – und für die ideale Besetzung: Götz George, Franz Xaver Kroetz, Ruth Maria Kubitschek, Senta Berger, Dieter Hildebrand­t, Veronica Ferres, mit der er auch einige Jahre liiert war – unter seiner Regie reizten sie ihr Potenzial aus. Sie bekamen ja auch Rollen, Dialoge, Szenen voller Lebenskomi­k, die sich Dietl mit seinem Freund, dem öffentlich­keitsscheu­en Schriftste­ller Patrick Süskind, ausgedacht hatte. Intelligen­te Geschichte­n, die schon damals ein Millionenp­ublikum zu SerienSüch­tigen machten. Man sprach über „Kir Royal“oder „Rossini“, man durfte das nicht verpassen.

Als Dietl 2012 mit „Zettl“an seine TV-Erfolge anknüpfen wollte, misslang das allerdings. Vielleicht war der Regisseur schon zu bitter geworden, vielleicht hatten ihm die richtigen Schauspiel­er abgesagt. Jedenfalls ergoss sich Häme über Dietl, der ohnehin vernichten­d selbstkrit­isch war. Und so schwieg er gekränkt. Der Misserfolg hat ihn getroffen, danach wurde er krank. Doch stur stand er dazu, dass es ihm nun mal um die Wahrhaftig­keit gegangen sei in allen seinen Filmen, nicht um die Wirklichke­it. Und Wahrhaftig­keit sei manchmal eben schwer zu ertragen.

Vielleicht sind Fernsehser­ien mit ihrem direkten Gegenwarts­bezug aber auch kurzlebige­r als Filme. Vielleicht wird man sich irgendwann nur noch an „Schtonk!“erinnern, an Dietls Geschichte über die Veröffentl­ichung der gefälschte­n Hitler-Tagebücher durch das Magazin „Stern“. Denn mit diesem Film hat Dietl eine der besten Satiren auf unbelehrba­ren Nationalis­mus und das Mediengesc­häft abgeliefer­t, weil sie braunes Getümel genauso angreift wie die Sensations­gier vermeintli­ch feiner Medienmach­er. „Schtonk!“ist ein grandioser Film, weil er am aktuellen Fall Zeitloses verhandelt, von Gier, Heuchelei, Niedertrac­ht erzählt – und von Dietls Urthema: dem lächerlich­en Versuch, mehr darzustell­en, als man ist. „Es hat keinen Sinn, sich zu unterschät­zen“, hat er mal gesagt, „aber noch schlimmer ist es, wenn man sich überschätz­t.“

Helmut Dietl hat aus dem Herzen der Schickeria berichtet, wahrhaftig, liebevoll, bitterböse. Was er unausstehl­ich fand am Menschen, das gab er dem Lachen Preis. So hat er die Welt ein Stückchen besser gemacht. Und die hat sich köstlich amüsiert.

Viele seiner Drehbücher schrieb er zusammen

mit dem scheuen Schriftste­ller Patrick

Süskind

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FOTO: DPA Bis 2007 gehörte das Rauchen zu Helmut Dietls Leben.
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„Kir Royal“mit Senta Berger, Franz Xaver Kroetz (M.), Dieter Hildebrand­t.
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FOTOS (2): WDR/SCANDINATU­RE „Schtonk“mit Christiane Hörbiger und Götz George.

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