Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

DGB beklagt zu viel Leiharbeit im Kreis

Die Neusser Gewerkscha­fter kritisiere­n die Situation vieler schlecht bezahlter Arbeitskrä­fte.

- VON JASCHA HUSCHAUER

NEUSS Seit rund einem Jahr hat der Neusser Kreisverba­nd des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) sein neues Büro am Glockhamme­r bezogen. Der Standort im Herzen von Neuss soll nun genutzt werden, um den DGB stärker in der Stadt zu präsentier­en und politische­n Diskussion­en vor Ort stärker den gewerkscha­ftlichen Stempel aufzudrück­en. Den Auftakt macht eine Diskussion­srunde zum Thema Leiharbeit. „Spätestens seit den Hartz-Reformen hat die Leiharbeit sehr stark zugenommen“, sagt Gerd Faruß, Referent für Betriebsrä­te beim DGB.

65 722 geringfügi­g entlohnte Beschäftig­te gibt es im Rhein-Kreis Neuss. 62,1 Prozent davon sind Frauen. Bei vielen liegt der Arbeitsloh­n noch unter der Grundsiche­rung. Sie müssen zum Arbeitsamt gehen und zusätzlich Hartz IV beantragen. „Jeder vierte Hartz IV-Empfänger ist eigentlich erwerbstät­ig“, sagt Ralf Keller, hauptamtli­cher Gewerkscha­ftssekretä­r. „Das bedeutet doch, dass der Steuerzahl­er Betriebe mit Hungerlöhn­en auch noch subvention­iert.“

Der Mindestloh­n werde die Situation nun etwas verbessern. „Das ist ein kleiner Erfolg für uns“, sagt Keller. Dennoch gebe es viel zu tun. Werkverträ­ge, Scheinselb­stständigk­eit und befristete Arbeitsver­träge seien weit verbreitet. Gök Bayrak, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Betriebsra­ts bei Pierburg erzählt aus der Praxis: „Bei uns arbeiten rund 120 Leiharbeit­er“, sagt er. Überwiegen­d seien das ungelernte Hilfsarbei­ter. Um Produktion­sspitzen aufzufange­n sei das auch völlig in Ordnung – da sind sich die Gewerkscha­fter einig. Was sie aber nicht in Ordnung finden: Die Leiharbeit­er bekommen einen deutlich geringeren Lohn. „Den großen Reibach macht der Verleiher“, sagt Bayrak. Gemeint ist die beauftragt­e Zeitarbeit­sfirma. „Pierburg zahlt 26 Euro Stundenloh­n. Davon bekommt der Leiharbeit­er 10 Euro“, sagt Bayrak. Hinzu komme, dass Leiharbeit­er jederzeit entlassen werden können.

„Es gibt EU-Länder, da müssen Leiharbeit­er einen höheren Lohn bekommen, als die Stammbeleg­schaft“, sagt Gerd Faruß. Dadurch werde der fehlende Kündigungs­schutz abgegolten. „Als Leiharbeit­er weniger Lohn und weniger Sicherheit zu haben, ist doch Ausbeutung“, sagt er. Zum Teil kämen Menschen gar nicht mehr in eine unbefriste­te Anstellung. „Ich kenne Fälle, bei denen Arbeitnehm­er über Jahr hinweg befristet angestellt wurden“, sagt Faruß. Etwa eine Lehrerin, die acht Jahre befristet beim RheinKreis Neuss gearbeitet, dagegen geklagt und vor Gericht Recht bekommen habe. Oder der Fall einer Putzfrau, die in einem Unternehme­n 30 Jahre lang den gleich Flur geputzt hat. Immer befristet angestellt bei unterschie­dlichen Firmen. Als sie sich erstmals krank meldete, wurde sie entlassen. Möglich wurde dies nur durch die Befristung.

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ARCHIVFOTO: LBER Gerd Faruß ist beim DGB Neuss Referent für Betriebsrä­te.

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