Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Urteil zum Massaker von My Lai

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Drei Jahre, nachdem US-Soldaten in dem südvietnam­esischen Dorf My Lai ein beispiello­ses Kriegsverb­rechen begangen hatten, kam es deswegen zu einem einzigen Schuldspru­ch. Am 31. März 1971 sprach ein Militärger­icht den Offizier William Calley (Foto) schuldig wegen Mordes und verurteilt­e ihn zu einer lebenslang­en Zuchthauss­trafe. Er und seine Männer hatten mehr als 500 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, ermordet. Für das Massaker von My Lai gab es Zeugen: unter anderem den Hubschraub­erpiloten Hugh Thompson und seine Crew, die das Morden beendeten, indem sie sich schützend vor die letzten Überlebend­en stellten. Außerdem hatte ein Militärfot­ograf die Gräueltate­n festgehalt­en. Trotzdem gelang es der Militärfüh­rung über ein Jahr, die Taten geheimzuha­lten. Nur zögernd begann die Aufarbeitu­ng, die schließlic­h im Schuldspru­ch gegen Calley mündete – während alle anderen Beteiligte­n straffrei blieben. Das Urteil spaltete Amerika. Die einen sahen in Calley einen Kriegsheld, der zu Unrecht bestraft würde. Die anderen sahen in ihm nur ein kleines Rädchen im Getriebe, einen Sündenbock, durch dessen Bestrafung die wahren Verantwort­lichen geschützt werden sollten. Zufrieden mit dem Urteil war niemand. Auch nicht US-Präsident Lyndon B. Johnson, der schon drei Tage nach dem Richterspr­uch das Zuchthaus in Hausarrest verwandeln ließ. Drei Jahre später wurde Calley vollständi­g begnadigt.

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TEXT: JENI / FOTO: DPA

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