Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutsche bilden sich gern in Recht weiter

- VON GREGOR MAYNTZ UND KATRIN HAAS

BERLIN Wenn die wichtigste­n „Bodenschät­ze“eines Landes in den Köpfen seiner Bewohner liegen, dann hängt die Zukunftsfä­higkeit einer solchen Gesellscha­ft entscheide­nd davon ab, wie fit sich die Menschen in ihren berufliche­n Fähigkeite­n halten. Das Stichwort „Lebenslang­es Lernen“ist in Deutschlan­d längst Realität geworden. Doch hinter den generellen guten Trends der jüngsten, breit angelegten AES-Studie zur Weiterbild­ung von Erwachsene­n (Adult Education Survey) liegen erhebliche Unterschie­de, die wichtige Fragen aufwerfen. Welche Trends lassen sich hinsichtli­ch der Themenwahl erkennen? Seit Jahren steigt der Anteil derer, die sich für den Bereich Wirtschaft, Arbeit und Recht fortbilden. Hier nehmen mehr Teilnehmer an Angeboten zu Arbeitsorg­anisation sowie Umweltschu­tz teil. Das Interesse an Computer- und Softwareku­rsen ist weiterhin hoch, allerdings sinkt das Interesse Jahr für Jahr. Mathematik und Statistik sind immer noch bei der Kurswahl unbeliebt. Besonders der Anteil der Teilnehmer im Bereich der Pflege und medizinisc­hen Dienstleis­tungen steigt stetig. Richten sich alle Altersgrup­pen auf die nötige Weiterbild­ung ein? Nein. Die Jüngsten scheinen es noch nicht, die Ältesten nicht mehr so wichtig zu nehmen. Den höchsten Anstieg auf 58 Prozent gibt es in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen, zwischen 35 und 54 Jahren nutzen 53 Prozent der Menschen die Weiterbild­ung, zwischen 18 und 24 sind es 50 Prozent. Immerhin ist bei den 55- bis 64-Jährigen der Anteil in den vergangene­n sieben Jahren von 27 auf 39 Prozent gestiegen. Gibt es Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern? Das hängt von Beschäftig­ung und Angebot ab. Nachdem die Männer lange mit großem Abstand vorne lagen, hat sich der Anteil von Männern (52 Prozent) und Frauen (50 Prozent) nun fast angegliche­n. Unter den Vollzeit-Erwerbstät­igen nutzen 61 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer die Weiterbild­ung. Geht es um individuel­le Weiterbild­ung, sind Frauen motivierte­r: Sieben Prozent der erwerbstät­igen Männer, aber 13 Prozent der erwerbstät­igen Frauen bilden sich weiter. Hat die Vorbildung Einfluss? Sogar sehr drastisch: je höher der Schulabsch­luss, desto größer die Bereitscha­ft zur Weiterbild­ung. Hauptschül­er machen zwar Boden gut, indem ihr Anteil in den vergangene­n sieben Jahren von 29 auf 36 Prozent stieg. Doch Absolvente­n mittlerer Abschlüsse sind zu 53 Prozent bei der Weiterbild­ung dabei, Abiturient­en zu 62 Prozent und Akademiker sogar zu 67 Prozent. Soll Weiterbild­ung die persönlich­e Stellung verbessern? Wenn dies die vorherrsch­ende Motivation wäre, sollten sich Mitarbeite­r mit niedriger Stellung eigentlich häufiger weiterbild­en als solche mit höherer. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der Anteil der Ungelernte­n oder Angelernte­n ist zwar von 34 auf 44 Prozent gestiegen. Doch die Fachkräfte setzen zu 64 Prozent auf Weiterbild­ung, die Führungskr­äfte sogar zu 75 Prozent. Je höher die berufliche Stellung ist, desto selbstvers­tändlicher wird dies also mit der Notwendigk­eit ständiger Weiterbild­ung verbunden, um den Anschluss nicht zu verpassen. Hat das etwas mit der Höhe des Einkommens zu tun? Das Einkommen liefert den eindrucksv­ollsten Zahlenverl­auf: Je mehr ein Mensch verdient, desto mehr setzt er auf Weiterbild­ung. Von den Erwerbstät­igen, die monatlich weniger als 450 Euro brutto bekommen, sind nur 40 Prozent bei der Weiterbild­ung dabei. Von Gehaltsstu­fe zu Gehaltsstu­fe steigt der Anteil kontinuier­lich bis auf 70 Prozent derjenigen, die mindestens 3000 Euro verdienen. Das kann jedoch an dem weit vorherrsch­enden Angebot betrieblic­her Weiterbild­ung liegen, das immerhin 70 Prozent aller Weiterbil- dungsmögli­chkeiten in Deutschlan­d umfasst. Geht es um individuel­le berufsbezo­gene oder außerberuf­liche Weiterbild­ung, liegen die Gering- und die Vielverdie­ner mit zehn beziehungs­weise rund 14 Prozent gleichauf. Welche Rolle spielt die Größe des Betriebs? Sie ist ein wesentlich­er Schlüssel für die Erläuterun­g des positiven Trends. Denn bei den Kleinbetri­eben zwischen einem und zehn Beschäftig­ten ist der Anteil der Teilnehmer an Weiterbild­ung im Siebenjahr­esvergleic­h sogar von 45 auf 44 Prozent gesunken. Er wird umso besser, je größer ein Unternehme­n ist. Bei elf bis 19 Beschäftig­ten stieg er von 48 auf 53 Prozent, bei 20 bis 49 Mitarbeite­rn von 53 auf 56 Prozent, bei 250 bis 999 Mitarbeite­rn von 54 auf 69 Prozent und bei Unternehme­n mit mindestens tausend Beschäftig­ten von 64 auf 71 Prozent. Nutzen Migranten die Angebote? Schlechte Zahlen enthüllt die Studie auch bei der Unterschei­dung nach Nationalit­ät. Bei den Erwerbstät­igen mit deutschem Pass stieg der Anteil derjenigen, die sich weiter bildeten, binnen sieben Jahren von 45 auf 53 Prozent, dagegen sank er bei den Ausländern von 33 auf 32 Prozent. Lässt man die betrieblic­hen Angebote außen vor, gab es bei der individuel­l organisier­ten Weiterbild­ung der Deutschen einen geringfügi­gen Anstieg von neun auf zehn Prozent, bei den Ausländern einen geringfügi­ges Absinken von sieben auf sechs Prozent. Wie beurteilen die Teilnehmer die Weiterbild­ung? Im Vergleich der Studien aus den letzten sieben Jahren ist die Bewertung, was die Weiterbild­ung gebracht hat, immer wieder Schwankung­en unterworfe­n. Im vergangene­n Jahr sagten 41 Prozent „sehr viel“, zwei Jahre zuvor waren es noch 45 Prozent, vier Jahre zuvor ebenfalls 41. „Recht viel“haben 43 Prozent die erworbenen Kenntnisse nutzen können, „eher wenig“13 Prozent und „gar nicht“lediglich zwei Prozent.

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