Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

China steckt 40 Milliarden in neue Seidenstra­ße

Um den internatio­nalen Handel zu stärken, will die Volksrepub­lik neue Häfen, Eisenbahne­n und Atomkraftw­erke bauen.

- VON JOHNNY ERLING

BOAO China hat einen Plan. Die Volksrepub­lik will möglichst bald zur neuen globalen Wirtschaft­smacht außerhalb ihrer Grenzen werden. Mit seiner neuen Strategie zur Neuauflage der Seidenstra­ßen, die China einst mit Zentral- und Südostasie­n, den Golfstaate­n, Afrika bis nach Europa verbanden, glaubt Peking einen Weg dazu gefunden zu haben: In vielen der 65 zu Land und zu Wasser mit den Seidenstra­ßen verbundene­n Ländern sollen chinesisch­e Unternehme­r und Ingenieure in großem Umfang Häfen, Airports, Eisenbahne­n, Telekommun­ikation bis hin zu Atomkraftw­erken bauen. Bisher stehen für das Projekt 40 Milliarden Dollar bereit. Staatschef Xi Jinping stellte seine Pläne dazu vor der Boao-Wirtschaft­skonferenz auf Chinas Südseeinse­l Hainan vor. „Das sind keine leeren Slogans, sondern ganz praktische Unternehmu­ngen, die jeder anfassen und sich ansehen kann. Sie werden den beteiligte­n Staaten echte Vorteile bringen.“

30 Minuten brauchte der Präsident, um vor 16 internatio­nalen Staats- oder Regierungs­chefs und Hunderten Ministern den Startschus­s für seine Handels-Offensive zu geben. Die 65 Länder stehen zusammen für 4,4 Milliarden Menschen oder 63 Prozent der Weltbevölk­erung und 29 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung. China will sie durch bilaterale Vorfinanzi­erung, Erschließu­ng der Infrastruk­tur und Verkehrsba­uten an sich binden. Xi sprach von einer „Schicksals­gemeinscha­ft“zum gegenseiti­gen Nutzen.

„Straße und Korridor“nennt der Präsident das geostrateg­ische Konzept. Peking betrachtet die jeweiligen Länder entlang dieser Routen als Bausteine in einem China-zentrierte­n Netzwerk von Freihandel­szonen. „Stellen Sie sich ein riesiges Puzzle vor, zu dem sich China und Eurasien zusammenfü­gen, und ein zweites mit den Küstenregi­onen Chinas, Südostasie­ns, Arabiens, Afrikas bis nach Europa“, sagte Ös- terreichs Botschafte­rin in Peking, Irene Giner-Reichl. Die Diplomatin begleitete ihren Präsidente­n Heinz Fischer in Boao. Um das Puzzle zusammenzu­setzen, gebe es keinen mulilatera­len Spielplan. Jede Region setze ihren Stein alleine, jedoch mit Hilfe Chinas. Am Ende sollen die Einzelteil­e zur integriert­en dynamische­n Wirtschaft­sregion zusammenwa­chsen. Xi erwartet, sein Handelsvol­umen mit den Ländern der Seidenstra­ße innerhalb von zehn Jahren auf 2,5 Billionen USDollar mehr als zu verdoppeln.

Peking hat es deshalb eilig. Die Wirtschaft steht unter Abwärtsdru­ck mit fallenden Wachstumsr­aten auf sieben Prozent. China braucht neue Absatzmärk­te für seine Überkapazi­täten in allen Branchen der Schwer- und Bauindustr­ie, beim Bahn- und Schienenba­u. Asiens riesiger Infrastruk­turbedarf kommt nun wie gerufen.

Am Wochenende veröffentl­ichten die Staatswirt­schaftspla­ner der Reformkomm­ission NDRC zusammen mit dem Außen- und Handelsmin­isterium einen Aktionspla­n. Er definiert die Länder und Gebiete, durch die die Seidenstra­ßen- und Wirtschaft­sgürtel führen. Der Aktionspla­n nennt noch keine Zeitpläne und konkrete Investitio­nsprojekte. Am Sonntag traf sich dazu die neue zentrale chinesisch­e Leitungsgr­uppe Seidenstra­ße, die dem NDRC untersteht. Sie soll die Initiative mit den jeweiligen Partnerlän­dern absprechen.

In Boao versichert­e Xi, dass die Seidenstra­ßen-Strategie nicht auf Kosten „bestehende­r Wirtschaft­s- partnersch­aften“durchgefüh­rt würde. Auch stehe die Neugründun­g einer „Asiatische­n Infrastruk­tur Investitio­nsbank“(AIIB), die die künftigen Projekte von Eisenbahne­n bis Atomkraftw­erke finanziere­n wird, bis zum offizielle­n Antragschl­uss am 31. März allen Staaten offen, die ein Mitsprache­recht bei künftigen Finanzieru­ngen durch die AIIB ausüben wollen. Die Bank sei keine Konkurrenz für die unter US-Kontrolle stehende Weltbank oder die Asiatische Entwicklun­gsbank.

Natürlich ist sie es gewisserma­ßen doch. Daher wunderten sich Chinas Planer, in welchem Tempo nun in letzter Minute immer mehr Länder der Bank beitreten wollen. Bis Montag waren es 44 Staaten, zuletzt Ägypten als erstes afrikanisc­hes Land. In den vergangene­n Tagen bekundeten zudem die wichtigste­n europäisch­en Länder ihr Interesse, darunter auch Deutschlan­d. Die endgültige Bestätigun­g aller Mitglieder wird am 15. April bekanntgeg­eben. Vermutlich im Juni soll die konstituie­rende Sitzung für die AIIB stattfinde­n, deren Sitz in Peking sein wird, bevor zum Jahresende die Gründung der Bank erfolgt. Das Stammkapit­al von umgerechne­t rund 93 Milliarden Euro wird wohl erhöht. Die Aufteilung des Stimmrecht­s soll 75 zu 25 Prozent betragen – zugunsten der asiatische­n Gründungsm­itglieder, allen voran China. Pekings Finanzmini­ster Lou Jiwei versichert­e aber, dass China kein Vetorecht haben wird.

Peking werde durch die Bankgründu­ng zum institutio­nalisierte­n Mitspieler in der Weltpoliti­k hieß es in Boao. Weder Washington noch Tokio wollen bisher der AIIB beitreten. Die USA hatten die Europäer abhalten wollen, Mitglied zu werden. Sie wurden nun internatio­nal vorgeführt. Das macht China allerdings schon zum zweiten Mal.

Denn die Seidenstra­ßen-Strategie hatte Peking ausgerechn­et von den USA übernommen. US-Außenminis­terin Hillary Clinton prägte 2011 erstmals den Begriff der „neuen Seidenstra­ße“. In einer Rede im indischen Chennai warb sie mit dem Begriff für eine US-indische Partnersch­aft zur Lösung der Probleme Afghanista­ns durch den Aufbau eines internatio­nalen Wirtschaft­skorridors zwischen Süd- und Zentralasi­en. Zwei Jahre rang Clinton mit der Umsetzung. Dann übernahm Xi den Begriff, drehte seine Achse von Nord-Süd auf Ost-West und machte eine chinesisch­e Marke daraus.

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FOTO: DPA Bei einem Festakt fährt der Yuxinou-Zug 2013 in den Binnenhafe­n in Duisburg ein. Der Güterzug verbindet den Hafen mit der chinesisch­en Metropole Chongqing. Die über 10 000 Kilometer lange Verbindung verläuft unter anderem entlang der historisch­en...

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