Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Video zeigt die Sekunden vor dem Absturz

Eine Woche nach dem Flugzeugab­sturz werden die Einzelteil­e der Maschine in Labors in Kleinstarb­eit analysiert. Auch Teile der Cockpit-Tür werden untersucht. Unterdesse­n ist gestern ein Handy-Video aus dem Todesflieg­er aufgetauch­t.

- VON D. HÜWEL, S. KUNIGKEIT, D. RICHTERS UND C. SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/PONTOISE Der Kontrast zum Chaos des Trümmerfel­des in den Alpen könnte kaum größer sein. In einem Laborraum hinter einer Luftschleu­se füllt ein Mann im Schutzanzu­g mit den immer gleichen Handbewegu­ngen Flüssigkei­t

Christoph Kumpa aus Pipetten in Röhrchen. Wissenscha­ftliche Routinearb­eit, die dafür sorgen soll, dass die Hinterblie­benen des Germanwing­s-Absturzes ihre Toten begraben können. Im Kriminalin­stitut der französisc­hen Gendarmeri­e in Pontoise analysiere­n Experten die DNA der Leichentei­le, die am Unglücksor­t gefunden wurden. Die Ermittler haben die Bergung der Opfer beendet. Am Absturzort gebe es keine Leichen mehr, teilte die Gendarmeri­e gestern mit. Die Experten hoffen, alle Passagiere ausfindig machen zu können. Dies sei aber angesichts der Wucht des Aufpralls unklar.

Bei dem wohl absichtlic­h durch den Copiloten herbeigefü­hrten Absturz der Germanwing­s-Maschine waren vor einer Woche 150 Menschen ums Leben gekommen. Das Flugzeug war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Die meisten Todesopfer stammen aus NRW, darunter auch 16 Schüler und zwei Lehrerinne­n aus dem westfälisc­hen Haltern am See. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass der Pilot zum Zeitpunkt der Katastroph­e aus dem Cockpit ausgesperr­t war.

Ein Passagier hat offenbar die letzten Sekunden bis zum Absturz mit seinem Handy gefilmt. Von den Szenen an Bord während des Sinkfluges soll eine kurze Filmsequen­z existieren. Die „Bild“und ein französisc­hes Magazin konnten sich die Aufnahmen nach eigenen Angaben ansehen. Demnach sollen auf dem Video mehrfach laute Schreie und Rufe in verschiede­nen Sprachen zu hören sein. Gegen Ende der Aufnahme soll zu erkennenen sein, wie ein Teil des Flugzeugs einen Berg berührt. Das Video soll Gegenstand der Ermittlung­en sein. Es wurde offenbar auf dem noch lesbaren Speicherch­ip des Handys gefunden.

Der Copilot soll zuvor den Sinkflug eingeleite­t haben. Die französisc­he Untersuchu­ngsbehörde BEA bemüht sich nach eigenen Angaben um „eine genaue technische Beschreibu­ng des Flugverlau­fes“. Dazu stützt sie sich auf eine Analyse der Aufnahmen des gefundenen Stimmenrek­orders und andere be- kannte Flugdaten. Nach der zweiten Blackbox, dem Flugdatens­chreiber, wird noch gesucht.

Bei der Analyse des Absturzes konzentrie­rt sich BEA auch auf die Funktionsw­eise der Cockpit-Tür. Sie sei „von besonderem Interesse“, teilte die Einrichtun­g für die Sicherheit der zivilen Luftfahrt in Paris mit. Die „Logik der Verriegelu­ngssysteme“solle analysiert werden. Auch die Verfahren beim Betreten und Verlassen des Cockpits würden untersucht, um Schwachste­llen zu erkennen, die zu der Katastroph­e geführt haben könnten.

Die Staatsanwa­ltschaft in Düsseldorf hält daran fest, keine Zwischener­gebnisse zu verkünden. Das geschehe mit Rücksicht auf die Persönlich­keitsrecht­e der Angehörige­n, insbesonde­re auch der Angehörige­n des Copiloten Andreas L., sagte der ermittelnd­e Staatsanwa­lt Christoph Kumpa. Er verwies darauf, dass bisher nicht alle Zeugen vernehmung­sfähig seien und bat um Geduld. Es lägen mehrere Krankenakt­en verschiede­ner Ärzte vor, bei denen L. in Behandlung gewesen sei und die unterschie­dliche Diagnosen gestellt hätten. Außerdem müsse der beschlagna­hmte Computer ausgewerte­t werden. Es lägen schriftlic­he Hinweise vor, hinzu kämen Zeugenauss­agen. „Das alles muss mir vorliegen und abgegliche­n werden, bevor ich es bewerten kann“, sagt Kumpa.

Unterdesse­n verwies die NRWStaatsk­anzlei darauf, dass die Entschädig­ungsfrage in diesem Fall – anders als nach der Loveparade-Katastroph­e 2010 in Duisburg – eindeutige­r sei: Es sei davon auszugehen, dass Germanwing­s die Angehörige­n angemessen entschädig­en werde, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung. „Vor diesem Hintergrun­d sehen wir derzeit keine Notwendigk­eit weiterer Hilfen durch das Land“, teilte die Staatskanz­lei mit.

Für die jetzt zu Tode gekommenen Schüler übernehme die Unfallkass­e NRW die Überführun­gskosten. Außerdem sorge die Unfallkass­e ebenso wie die Trauma-Ambulanz der beiden Landschaft­sverbände für die psychologi­sche Betreuung der Hinterblie­benen.

„Nicht alle Zeugen

sind bisher vernehmung­sfähig“

Ermittelnd­er Staatsanwa­lt

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FOTO: DPA Analysten untersuche­n mit Pipetten in mühsamer Kleinstarb­eit die bisher sichergest­ellten Überreste der zerschellt­en Maschine.

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